Das Flaggschiff der großen Styria-Familie
Die Kleine Zeitung in der Retrospektive zum morgigen 150-Jahr-Jubiläum der Styria: historische Markierungen.
Der 1869 gegründete Katholische Preßverein steht am Anfang der Geschichte der Styria, die in einem neuen opulenten Buch erzählt wird. Das Jubiläum bringt es mit sich, die wechselvolle Historie und die Bedeutung der Kleinen Zeitung innerhalb der Styria-Familie Revue passieren zu lassen. Fast gleichzeitig mit dem Umzug der Styria in das neue Betriebsgebäude in der Grazer Schönaugasse 64 wurde eine Styria-Tageszeitung ins Leben gerufen, vor allem, um die Defizite des Grazer Volksblatts auszugleichen. Am 22. November 1904 erschien so erstmals die Kleine Zeitung. Konzipiert als populäres Kleinformat im Nachrichtenstil, erreichte man zunächst die „kleinen Leute“. Im Volksmund nannte man sie liebevoll „Kreuzerfrosch“– wegen des günstigen Preises von zwei Hellern bzw. einem Kreuzer alter Währung.
Sie war rasch etabliert und konnte den bis dahin unangefochtenen Spitzenreiter, die Tagespost, in der gedruckten Auflage hinter sich lassen. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Untergang der Monarchie verlor auch die Kleine Zeitung einige ihrer Absatzgebiete. Die Hyperinflation in den ersten Jahren der jungen Republik Österreich war dramatisch. Die Erlöse gingen zurück, nahezu täglich stiegen die Kosten für Papier, Arbeitsmaterialien und Löhne.
Von 1921 bis 1923 kletterte der Preis der Kleinen Zeitung von 50 Heller auf 500 Kronen! Diese überaus kritische Phase wurde überwunden. Zu Beginn der 1930er-Jahre war sie in der Steider ermark zur populärsten Tageszeitung aufgestiegen und strahlte bereits auch in die angrenzenden Bundesländer hinein. Bemerkenswert ihr damaliges Selbstverständnis: „Das Blatt der breiten Masse, der Frauen, der Sportler.“Ihre durchschnittliche Druckauflage I betrug 30.000 Exemplare. m autoritären „Ständestaat“konnte sie erscheinen. Bis zum 11. März 1938 verfocht sie die Eigenstaatlichkeit und die Unabhängigkeit Österreichs. Mit dem „Anschluss“an Hitlerdeutschland wurde alles anders. Dunkle Jahre zogen ins Land. Es hieß „Finis Styriae“. Die Okkupation und „Gleichschaltung“der Styria-Zeitungen hatte begonnen. Die neue Unternehmensleitung des nationalsozialistischen Preßvereins Graz – der Katholische Preßverein war umgebildet, der Name Styria eliminiert worden – musste mit September 1938 dem Zwangsverkauf der Kleinen Zeitung an die Südostdeutsche Zeitungsverlags-GmbH zustimmen. 1942 übernahm gar parteiamtliche NS-Gauverlag (vormals Leykam) aus ökonomischen wie politischen Motiven die Kleine Zeitung, deren Verwaltung wurde mit jener der NS-Gauzeitung Tagespost zusammengelegt. Dies kam einer Demontage gleich.
Während des Zweiten Weltkriegs musste sie die NS-Propaganda und die dem Regime passende Sicht des Krieges transportieren. Das meist nur mehr mit vier Seiten ausgestattete Blatt konnte noch bis Kriegsende erscheinen, das Gebäude der Schönaugasse 64 glich nach mehreren Bombentreffern da bereits einer Ruine. Am 24. Mai 1945 kam dann das zwischenzeitliche Aus, die russische Besatzungsmacht stellte die Zeitung ein. Der Neuanfang sollte D sich schwierig gestalten. urch das hartnäckige Engagement des aus dem Konzentrationslager zurückgekehrten neuen „alten“Styria-Generaldirektors Karl Maria Stepan konnte die Kleine Zeitung dann erneut erscheinen, zunächst noch wöchent
mit Anfang Oktober 1948 wieder als Tageszeitung. Für die Styria war dies die unternehmerisch größte Herausforderung in dieser Zeit, zugleich auch eine Überlebensfrage. Was nun erfolgte, war eine Neuausrichtung.
Fortan als unabhängiges Printmedium definiert, erneut im Kleinformat und mit einer hohen Auflage. Ihre Legitimation sollte aus der persönlichen Verantwortung und der Glaubwürdigkeit ihrer Redakteure und Gestalter hervorgehen. In den folgenden Jahren entwickelte sie ihr charakteristisches inhaltliches Profil, das durch kritische Unabhängigkeit von allen Parteien und Apparaten gekennzeichnet war. Stepan bewies viel Gespür für die Auswahl jener Mitarbeiter, die er als Rohdiamanten zur Styria holte und die die Kleine Zeitung in den folgenden Jahrzehnten (auch durch kontroversielle H Ansichten) prägen sollten. anns Sassmann, Fritz Csoklich, Kurt Wimmer, Max Mayr, Heinz Stritzl, Kurt Vorhofer, Julius Kainz und viele andere. Waren die 1950erJahre noch eine Konsolidierungsphase – seit 1954 erschien eine eigenständige Kärntner Ausgabe, 1959 entstand das Wiener Redaktionsbüro –, so begann in den 1960er-Jahren der erkennbare Aufstieg. Zum publizistischen Leitmotiv Unabhängigkeit mengte die Redaktion noch die gelebten Werte Weltoffenheit, Meinungspluralismus und das Eintreten für eine gelebte Demokratie bei. Eine zeitgemäße wie auch zeitlose Melange. Die Kleine Zeitung nutzte ihre wachsende Beliebtheit und unterstützte die kulturelle Avantgarde, etwa das Forum Stadtpark. D as Eintreten für das Rundfunkvolksbegehren 1964 war ein weiterer Meilenstein. 1967 schlug die Geburtsstunde der Regionalisierung, Mit Bruck an der Mur als Pionierstation. Die Integration des Grazer Montags, das Erscheinungsbild mit farbigem Titelkopf, modernes Marketing und der erste Zeitungsombudsmann prolongierten die Erfolgsstory Anfang der 1970erJahre.
Der in dieser Zeit beginnende und hart geführte Konkurrenzkampf mit der „Kronen Zeitung“, die in die Steiermark drängte, bedeutete eine jahrelange Herausforderung. Veränderte Verlags- und Vertriebskonzepte waren die Folge, wie etwa der Aufbau des „Stummen Verkaufs“, der Faschingsumzug und Plakatkampagnen. Bemerkenswert waren die in allen steirischen Bezirken veranstalteten Diskussionsforen, die „Leserparlamente“. Auch die Aktion „Rettet die Grazer Altstadt“fand großen Zuspruch. Tatsächlich war die Kleine Zeitung ein ständiger Innovationstreiber, stets in kongenialer Partnerschaft mit der Styria-Druckerei, befeuert von drucktechnischen Neuelich, rungen. Ende der 1970er-Jahre avancierte sie zur größten Bundesländerzeitung und wurde ab April 1980 im EDV-gesteuerten Lichtsatzverfahren hergestellt.
Ebenfalls ein Meilenstein in der österreichischen Pressegeschichte: die ab März 1989 vorangetriebene Regionalisierung, eine als kommunikative Nahversorgung bezeichnete Reform mit Nähe zu den Lesern, Berichten und Reportagen vor Ort. Als auf der Kommandobrücke des StyriaFlaggschiffs Fritz Csoklich 1994 das Steuer übergab, endete eine Ära. Sein Werk wurde fortgesetzt von Kurt Wimmer, Erwin Zankel und Hubert Patterer, die die Zeitung tagtäglich weiterentwickelten.
M
itte der 1990er-Jahre begann das Zeitalter der Digitalisierung. Die Neuen Medien beschleunigten Veränderungsprozesse in der Massenkommunikation. Am 28. November 1995 erschien die Kleine erstmals auch elektronisch und eröffnete so für die Styria die wunderbare Welt des World Wide Web. Die Kleine Zeitung im 21. Jahrhundert vollzog Schritt für Schritt die Ausdifferenzierung ihres Kommunikationsauftritts. 2015 im neuen Newsroom am Gadollaplatz 1 angekommen, ist sie heute „All Interest Paper“und interaktiver Lebensbegleiter für ihre Leser und User.