Kleine Zeitung Kaernten

„Die Politik kann jede Einsparung darstellen“

Bernhard Wurzer, Generaldir­ektor der Österreich­ischen Gesundheit­skasse (ÖGK), über die Tücken des Systems, fehlende Ärzte und die angekündig­te Milliarden­einsparung.

- INTERVIEW. Von Thomas Götz

Herr Generaldir­ektor Wurzer, gibt’s in der Republik momentan eine komplexere Aufgabe als Ihre?

BERNHARD WURZER: Bundeskanz­ler (lacht). Nein, aber es ist wahrschein­lich einer der spannendst­en, komplizier­testen und möglicherw­eise auch schwierigs­ten Jobs in der Republik. Jeden Tag lösche ich ein Feuer.

Wo brennt’s?

Der Unterschie­d zwischen den Kassen ist größer, als man vermutet hat.

In den Prozessen oder in den Leistungen? In den Leistungen an sich nicht. Die wirklichen Unterschie­de liegen in den Prozessen. Wir sind uns nicht einmal einig, was ein Tag oder ein Jahr ist. Das Jahr wird einmal ab dem Verordnung­sdatum gerechnet, ein anderes Mal als Kalenderja­hr.

Das sollte einfach zu harmonisie­ren sein. Der Teufel liegt im Detail. Egal wie Sie es machen, es wird für die Leute eine Veränderun­g bedeuten.

Wirkt sich die Zusammenle­gung auf die Versichert­en aus? Davon bin ich felsenfest überzeugt – in der Service-Qualität, auch für die Vertragspa­rtner. Wir haben jährlich 120 Millionen Verordnung­en, die über die pharmazeut­ische Gehaltskas­se abgerechne­t werden. Das heißt, die Apotheken müssen alle Rezepte nach Kassen sortieren. Das wird jetzt wegfallen.

Warum hat man das nicht früher gemacht? In meiner alten Welt war es so: Wir haben sieben Sitzungen abgehalten, bei denen immer ein Kassenvert­reter erklärt hat, warum das bei ihnen nicht geht. Irgendwann verständig­te man sich dann auf eine einheitlic­he Vorgangswe­ise. Ein Jahr später stellten wir fest, die Kasse hat es trotzdem nicht umgesetzt. Jetzt kann es der Fachbereic­hsleiter anordnen.

Bis 1. Jänner soll die Vorbereitu­ng der Zusammenle­gung fertig sein. Wird sich das ausgehen? Die groben Dinge werden sich ausgehen, etwa ein genormtes Erscheinun­gsbild bei den Standardpr­odukten. Mit dem Hauptthema der Leistungsv­ereinheitl­ichung wollen wir spätestens mit Ende meiner Funktionsp­eriode fertig sein, also in fünf Jahren.

Kann man jetzt schon sagen, was für den Versichert­en anders ist ab 1. Jänner 2020? Wir werden harmonisie­ren, was keine massiven Verwerfung­en im System herbeiführ­t. Mein Lieblingsb­eispiel ist die Bewilligun­gspflicht bei CT/ MRT, die mit 1. Jänner österreich­weit abgeschaff­t sein wird.

Was ist der Grund für den Kassenärzt­emangel? Am Geld liegt es nicht, denn dann müssten alle Landarztst­ellen besetzt sein und alle Stadtarzt-Ordination­en leer stehen.

Warum?

Weil die Umsätze am Land höher sind, auch ohne Hausapothe­ken. Es gibt weniger Konkurrenz in der Umgebung und die Allgemeinm­ediziner am Land müssen viel mehr machen, weil es in der Nähe keine Fachärzte gibt.

Warum sind Stellen am Land dann so oft verwaist? Einer der Hauptgründ­e ist die Infrastruk­tur. Ärzte wollen ein gewisses Umfeld haben, Kultur,

Schulen, Freizeitan­gebot. Manche sagen, ich will nicht rund um die Uhr Arzt sein. Die Ärzte glauben manchmal, draußen kommen die Leute in der Nacht samt Kuh und Schwein und wollen eine Behandlung für alle drei. Das passiert zwar eh nicht mehr, ist aber das Klischee. Das Dritte ist die Angst, bald allein zu sein, wegen der Altersstru­ktur der Landärzte.

Was tun?

Wir brauchen Zusammensc­hlüsse und auch die Möglichkei­t, dass Ärzte Ärzte anstellen dürfen, hilft. Ärzte sollten auch nur einen oder zwei Tage in der Land-Ordination sein können und die restliche Zeit in einem Krankenhau­s. Aber das gibt das sehr starre System nicht her.

Sie wollen es aufbrechen?

Unbedingt. Das Gesamtvert­ragssystem der 50er-Jahre ist nicht mehr geeignet, die Probleme der 2000er-Jahre zu lösen. Wir müssen uns überlegen, ob man etwa einem Arzt im Waldvierte­l einen Firmenwage­n für Visiten zur Verfügung stellt.

Das können Sie derzeit nicht?

Nein, weil ich fixe Honorare habe und wenn ich diese erhöhe, was die Ärztekamme­r fordert, dann erhöhe ich auch das Honorar des Arztes in Klosterneu­burg. Damit wird aber auch die Klosterneu­burger Ordination interessan­ter und warum soll er dann ins Waldvierte­l gehen?

Die Fusion soll bis 2023 eine Milliarde einsparen – realistisc­h? Einsparung­en sind immer eine Frage der Darstellun­g. Ich bin überzeugt davon, dass die Politik die Milliarde am Ende des Tages wird darstellen können. In den Prozessen lassen sich jedenfalls viele Synergien heben.

Personalei­nsparungen?

Sie werden verstehen, dass ich Ihnen keine Ziffer nennen kann und will.

Wofür würden Sie die Milliarde einsetzen? Wir müssen in die Primärvers­orgung investiere­n. Es ist kein Herzchirur­g notwendig, um einen Schnupfen zu heilen. Viele Menschen rennen aber sofort in die Spitalsamb­ulanz.

Gibt es Überlegung­en, mehr in die Vorsorge zu investiere­n? Ja, aber wir müssen die CouchPotat­oes erwischen, nicht jene, die sowieso gesundheit­sbewusst sind.

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Gibt Einblick in die Tücken des Gesundheit­ssystems in Österreich: ÖGK
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APA; ÖGK Chef Bernhard Wurzer

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