Vom Charme der Ungleichheit
E„Was treibt Menschen an, Diskriminierung zu rechtfertigen, wo Frauen doch wesentliche Aufgaben der Gesellschaft erledigen?“
ine Umfrage zeigt, dass es 30 Prozent der Männer und immerhin 13 Prozent der Frauen in Ordnung finden, dass Frauen für dieselbe Leistung (!) weniger verdienen als Männer. Als Begründung dient höheres Ausfallrisiko der Frauen wegen Schwangerschaft oder Kinderbetreuung. Aber: Was treibt Menschen an, Diskriminierung zu rechtfertigen, wo diese Frauen doch wesentliche Aufgaben in unserer Gesellschaft erledigen?
Offenbar ist es immer noch allgemein anerkannt, dass Interessen von Unternehmen wichtiger sind als die der Gesellschaft oder der Beschäftigten. Kinder kriegen, betreuen und erziehen sind durchaus vitale und grundlegende Aufgaben im Interesse aller. Aber es gehört zum Wesen des Kapitalismus, „Überlebensarbeit“zu privatisieren, nicht zu entlohnen und oft nicht einmal als Arbeit anzuerkennen. Und es gehört zum Wesen patriarchaler Verhältnisse, diese Arbeit Frauen zuzuweisen und dann abzuwerten.
Dass Männer die Einkommensdiskriminierung von Frauen legitim finden, mag daran liegen, dass sie darin eine Bestätigung ihres „Familienerhalterstatus“sehen. Selbst, wenn der längst nicht mehr Realität ist. Ein zweites Einkommen ist für die meisten Notwendigkeit. Höheres Einkommen sichert Macht gegenüber der eigenen Partnerin. So kann durch eine patriarchale Logik das „Teile und herrsche“einer kapitalistischen Ökonomie auf ewig fortgesetzt werden. Dass die Interessen der Frauen, mitunter der eigenen Partnerin, nicht näherliegen als die von Unternehmen, ist wohl nur mit antiquierten Männlichkeitsbildern zu erklären.
D ass Frauen für ihre eigene Diskriminierung und Abwertung plädieren, ist – obwohl nicht neu – kaum nachvollziehbar. Dass sich viele eine traditionelle Geschlechterordnung zurückwünschen, weil sie scheinbar mehr Stabilität bietet, ist bekannt. Es scheint einfacher, eine Ordnung zu romantisieren, die auf Abhängigkeit und Unterordnung beruht, als eine neue zu entwerfen, in der Gesellschaftsverhältnisse und persönliche Beziehungen Freiheit und Gleichheit für alle garantieren. Neues braucht Mut und Fantasie.
Alexandra Weiss ist an der Universität Innsbruck als Politikwissenschaftlerin und Sozialforscherin tätig