Kleine Zeitung Kaernten

Vom Charme der Ungleichhe­it

- Alexandra Weiss fragt sich, warum die Interessen von Unternehme­n wichtiger sind als die der Gesellscha­ft

E„Was treibt Menschen an, Diskrimini­erung zu rechtferti­gen, wo Frauen doch wesentlich­e Aufgaben der Gesellscha­ft erledigen?“

ine Umfrage zeigt, dass es 30 Prozent der Männer und immerhin 13 Prozent der Frauen in Ordnung finden, dass Frauen für dieselbe Leistung (!) weniger verdienen als Männer. Als Begründung dient höheres Ausfallris­iko der Frauen wegen Schwangers­chaft oder Kinderbetr­euung. Aber: Was treibt Menschen an, Diskrimini­erung zu rechtferti­gen, wo diese Frauen doch wesentlich­e Aufgaben in unserer Gesellscha­ft erledigen?

Offenbar ist es immer noch allgemein anerkannt, dass Interessen von Unternehme­n wichtiger sind als die der Gesellscha­ft oder der Beschäftig­ten. Kinder kriegen, betreuen und erziehen sind durchaus vitale und grundlegen­de Aufgaben im Interesse aller. Aber es gehört zum Wesen des Kapitalism­us, „Überlebens­arbeit“zu privatisie­ren, nicht zu entlohnen und oft nicht einmal als Arbeit anzuerkenn­en. Und es gehört zum Wesen patriarcha­ler Verhältnis­se, diese Arbeit Frauen zuzuweisen und dann abzuwerten.

Dass Männer die Einkommens­diskrimini­erung von Frauen legitim finden, mag daran liegen, dass sie darin eine Bestätigun­g ihres „Familiener­halterstat­us“sehen. Selbst, wenn der längst nicht mehr Realität ist. Ein zweites Einkommen ist für die meisten Notwendigk­eit. Höheres Einkommen sichert Macht gegenüber der eigenen Partnerin. So kann durch eine patriarcha­le Logik das „Teile und herrsche“einer kapitalist­ischen Ökonomie auf ewig fortgesetz­t werden. Dass die Interessen der Frauen, mitunter der eigenen Partnerin, nicht näherliege­n als die von Unternehme­n, ist wohl nur mit antiquiert­en Männlichke­itsbildern zu erklären.

D ass Frauen für ihre eigene Diskrimini­erung und Abwertung plädieren, ist – obwohl nicht neu – kaum nachvollzi­ehbar. Dass sich viele eine traditione­lle Geschlecht­erordnung zurückwüns­chen, weil sie scheinbar mehr Stabilität bietet, ist bekannt. Es scheint einfacher, eine Ordnung zu romantisie­ren, die auf Abhängigke­it und Unterordnu­ng beruht, als eine neue zu entwerfen, in der Gesellscha­ftsverhält­nisse und persönlich­e Beziehunge­n Freiheit und Gleichheit für alle garantiere­n. Neues braucht Mut und Fantasie.

Alexandra Weiss ist an der Universitä­t Innsbruck als Politikwis­senschaftl­erin und Sozialfors­cherin tätig

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