Wie misst man Kinderarmut?
Nicht nur, weil Weihnachten naht, wird wieder über Kinderarmut in Österreich debattiert. Das Thema liegt auch auf dem Tisch der Koalitionsverhandler. Die Opposition mischt ebenfalls mit. Für sie ist das ein Testfall, ob sich Grün gegen Türkis durchsetzen kann oder aus lauter Lust aufs Regieren die Wahlversprechen vergisst.
Wie wird Kinderarmut eigentlich gemessen? In der EU ist es üblich, die Armutsgefährdung vom Medianeinkommen abzuleiten. Wer über weniger als 60 Prozent des mittleren Pro-KopfEinkommens (50 Prozent der Haushalte liegen über dem Richtwert, 50 Prozent darunter) verfügt, fällt in diese Kategorie. Es handelt sich also um eine relative Größe und keinen absoluten Wert.
Die aktuelle Armutsgefährdungsschwelle beträgt in Österreich laut der Statistik Austria 1259 Euro für einen Erwachsenen. Der Wert erhöht sich um den Faktor 0,5 für eine weitere erwachsene Person im Haushalt und um 0,3 pro Kind unter 14 Jahren. Das ergibt also für eine Familie mit zwei Kindern ein Haushaltseinkommen von 2643 Euro netto im Monat.
Ein relativ hoher Richtwert, den viele Durchschnittsverdiener nicht erreichen. Damit diese Summe im Haushaltsbudget flüssig ist, muss jemand 3400 Euro brutto als Lohn oder Gehalt beziehen, damit unter Einrechnung der Familienbeihilfe und des Kinderabsetzbetrags netto 2643 Euro übrig bleiben.
Es ist deshalb keine große Überraschung, dass die Zahl der armutsgefährdeten Kinder auf über 300.000 gestiegen ist. Entgegen der von der Politik genährten Ansicht, dass es sich vor allem um Fälle der Sozialhilfe handelt, betrifft es mehrheitlich Familien mit Erwerbseinkommen – freilich nur einem bescheidenen.
Sollten sich Kurz & Kogler an der von der alten Regierung beschlossenen Kinderstaffel in der Mindestsicherung festbeißen, sei daran erinnert, dass 70.000 Kinder von Mindestsicherung leben, der Rest der 300.000 aber ohne diese Unterstützung.
Um die Kinderarmut zu bekämpfen, ist mehr notwendig, als bloß an der Sozialhilfe zu drehen.
„Um die Kinderarmut in Österreich zu bekämpfen, ist mehr notwendig, als nur an der Sozialhilfe zu drehen.“
Erwin Zankel war Chefredakteur der Kleinen Zeitung