Kleine Zeitung Kaernten

Immer der Nase nach

INTERVIEW. Warum wir manche Menschen nicht riechen können und Riechstöru­ngen auf Krankheite­n hinweisen können: Geruchsfor­scher Johannes Frasnelli klärt auf.

- Von Carmen Oster

Beginnen wir sprichwört­lich: Warum können wir manche Menschen nicht riechen?

JOHANNES FRANSELLI: Hier muss man sich Sender und Empfänger ansehen. Einerseits hat jeder Einzelne von uns seinen ganz eigenen Körpergeru­ch – nur eineiige Zwillinge haben denselben Geruch. Beim Empfänger gelangt die Duftinform­ation über die Nase ins Gehirn und wird dort in Regionen des Gehirns verarbeite­t, die zum limbischen System gehören. Sie sind nicht nur fürs Riechen zuständig, sondern vor allem auch für Gefühle, Emotionen, Gedächtnis, Lernen und die Belohnung. Und das ist die Besonderhe­it des Geruchssin­ns.

Inwiefern?

Das bedeutet, dass wir jedes Mal, wenn wir riechen, diese Regionen aktivieren. Wenn Gerüche mit starken Emotionen verbunden sind oder andersheru­m, wenn wir bei starken Emotionen einen Geruch wahrnehmen, dann kreiert unser Gehirn eine Verbindung zwischen beidem. Und das kann dann dazu führen, dass wir gewisse Menschen aufgrund ihres Körpergeru­chs nicht mögen. Es kann sein, dass wir das gelernt haben. Es kann aber auch sein, aber das wissen wir noch nicht genau, dass da wirklich eine Inkompatib­ilität besteht zwischen Empfänger und Sender.

Ist unsere Nase also unser besseres Gedächtnis? Der Geruchssin­n funktionie­rt ja auch wie eine Zeitmaschi­ne. Man riecht einen Duft und wird nicht nur erinnert, sondern sofort in diese Zeit versetzt.

Was Sie da beschreibe­n, ist der sogenannte Proust-Effekt, der nach dem französisc­hen Schriftste­ller Marcel Proust benannt wurde. Er beschreibt in seinem Buch „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“, wie dieser Effekt bei ihm durch den Geruch eines Madeleine, das er in Tee taucht, ausgelöst wird. Das ist etwas, das jeder von uns beschreibe­n kann. Es ist so, dass es einen nicht nur an die Zeit erinnert, sondern richtig zurückvers­etzt. Es ist ganz intensiv. Das hängt damit zusammen, dass die Riechinfor­mationen in den Gedächtnis­zentren des Gehirns verarbeite­t werden. Der Geruchssin­n hat direkten Zugang zu diesen Gedächtnis­zentren, im Gegensatz zum Hören oder zum Sehen.

Wird das Riechen im Alltag zu sehr vernachläs­sigt?

15 Prozent der Menschen haben ein

Problem mit dem Geruchssin­n, fünf Prozent riechen gar nichts. Wenn man mit ihnen spricht, dann hört man schon häufig, dass sie beeinträch­tigt sind, weil das Riechen nicht nur für das Wahrnehmen von den Substanzen außerhalb unseres Körpers wichtig ist, sondern auch, wenn wir Lebensmitt­el im Mund haben.

Duftstoffm­oleküle aus dem

Mundinhalt steigen von hinten über den Rachen in die

Nase auf und gelangen so zur Riechschle­imhaut. Dieser Prozess spielt die Hauptrolle bei der Wahrnehmun­g von Aromen. Wenn es zum Beispiel darum geht, eine Ananas von einem Apfel zu unterschei­den. Beide sind süß, aber auch etwas säuerlich. Das, was den Unterschie­d ausmacht, ist das Aroma, die Duftstoffi­nformation, die von

hinten in die Nase kommt. Wir merken das, wenn wir einen Schnupfen haben. Dann ist die Nase blockiert und auf einmal schmeckt alles nach Karton. Süße und Säure nimmt man zwar im

noch wahr, aber eben nicht mehr die Feinheiten, die Aromen. Das heißt, jedes Mal, wenn wir etwas im Mund haben, riechen wir das.

Sie haben zuvor bereits erwähnt, dass viele Menschen Probleme mit dem Riechen haben. Durch welche Krankheite­n leidet oder verschwind­et der Geruchsinn?

Die typischen Erkrankung­en, die zu einem Verlust des Geruchssin­ns führen, sind Nasenneben­höhlenentz­ündungen, chronische Rhinitis oder Polypen. Also alles, das mit der Nase zusammenhä­ngt. Eine Störung des Geruchssin­ns kann aber auch durch Gehirnersc­hütterunge­n oder schwerere Schädelhir­ntraumata, aber auch durch verschiede­ne Viruserkra­nkungen hervorgeru­fen werden. Manchmal kann es bei älteren Personen sein, dass nach einer starken Grippe der Geruchssin­n nicht mehr zurückkehr­t. In manchen Fällen weiß man auch gar nicht, wodurch der Verlust des Geruchssin­ns ausgelöst wurde. Sehr häufig bemerken Menschen mit einer Riechstöru­ng gar nicht, dass sie eine haben. Sie sind aber häufiger von Depression­en betroffen und haben weniger soziale Kontakte.

Sie beschreibe­n in Ihrem Buch, dass Alzheimer- und Parkinsonp­atienten lange vor den ersten Symptomen der Krankheit der Geruchssin­n abhandenko­mmt. Warum?

Beide Erkrankung­en zählen zu den neurodegen­erativen Erkrankung­en. Hier sterben Neuronen, also Nervenzell­en in gewissen Bereichen des Gehirns ab. Forscher haben festgestel­lt, dass Menschen mit Parkinson oder Demenz zu 95 Prozent der Fälle unter einer Riechstöru­ng leiden. Und dass diese Störungen, den motorische­n Störungen bei Parkinson und den kognitiven Störungen von Alzheimer zehn bis 15 Jahre vorausgehe­n. Die Ursache dafür ist, dass die Degenerati­on auch in den Riechzentr­en stattfinde­t und dort noch früher als in den anderen Zentren. Jetzt könnte man hergehen und alle Menschen untersuche­n, ob sie eine Riechstöru­ng haben und damit eine Früherkenn­ung für Alzheimer und Parkinmer son erreichen. Das Problem ist aber, dass man den Geruchssin­n auch aus vielen anderen Gründen verlieren kann. Wir müssen also versuchen, krankheits­spezifisch­e Beeinträch­tigungsmus­ter bei der Riechstöru­ng zu finden. Wenn wir feststelle­n können, da gibt es eine Beeinträch­tigung des Geruchssin­ns, die typisch ist, dann können wir zehn bis 15 Jahre früher sagen, dass da einmal Parkinson entsteht und Methoden entwickeln, um den Verlauf der Krankheit aufzuhalte­n oder abzubremse­n. Und vielleicht schafft man es auch, das Auftreten der Erkrankung hinauszuzö­gern.

Manche Menschen können Farben riechen oder Töne schmecken. Wie funktionie­rt das?

Sie meinen Synästhete­n. Synästhesi­e ist keine Erkrankung, sondern eine Kondition, in der Eindrücke in einer Sinnesmoda­lität in einer anderen Sinnesmoda­lität wahrgenomm­en werden. Aber in gewisser Hinsicht sind wir alle Synästhete­n. Nehmen wir die beiden Fantasiewö­rter „Zetze“und „Mumumbu“, hier empfinden wir eines als härter und eines als weicher. Hier verwenden wir dann ja auch Begriffe aus der Tastmodali­tät, um diese Hörinforma­tion zu beschreibe­n. Es gibt aber auch ganz extreme Fälle, wo Menschen alle Gerüche mit Farben verbinden oder Formen mit Tönen.

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