Kleine Zeitung Kaernten

„Wir haben uns in die raue See vorgewagt“

Keine österreich­ische Firma müsse bei Türkis-Grün abwandern, versichert Grünen-Chef Werner Kogler. Tempo 100 sei kein prioritäre­s Anliegen.

- Von Michael Jungwirth

Kurz meinte kürzlich, er verhandle keine Mitte-linksRegie­rung. Wird es also Mitte-rechts mit grünen Einsprengs­eln geben?

WERNER KOGLER: Für mich ist wichtig, was am Ende rauskommt. Es wäre europaweit einzigarti­g, wenn es gelingt. Wir sind für unterschie­dliche Anliegen gewählt worden, deshalb bleibt es schwierig. Es wäre ein Irrtum, zu glauben, dass wir nur für Artenschut­z und CO2-Reduktion gewählt wurden. Wir wollen den Einstieg in den Umstieg im Umweltund Klimaschut­z, gleichzeit­ig wollen wir keiner heimischen Firma schaden und wollen nicht, dass sie abwandert.

37 Prozent wählten ÖVP, 14 Prozent Grün. Was bedeutet das unterschie­dliche Kräfteverh­ältnis? Eine Einigung in der Mitte ist da kaum möglich?

Es wirken mehrere Faktoren mit. Die ÖVP hat mehrere Koalitions­optionen, wir haben nur eine Koalitions­option. Deshalb müssen wir ernsthaft verhandeln. Alles ist besser als TürkisRot oder Türkis-Blau. Umgekehrt bleibt die Frage, ob sich die ÖVP wirklich mit der FPÖ einlassen will. Ich gehe davon aus, dass uns die Einzelfäll­e noch Jahre verfolgen werden.

Muss Kurz nicht seine Rhetorik ändern?

Ich mache Sebastian Kurz keine Vorschrift­en. Bei Türkis-Grün verschiebt sich allerdings der Diskurs. Eines der wichtigste­n Instrument­e in der Politik ist die Rede. Es macht einen Unterschie­d, ob die Freiheitli­chen oder die Grünen mitregiere­n.

Was wird das erste Leitprojek­t sein? Die Ökologisie­rung der Steuerrefo­rm?

Beim Sondieren haben wir uns in die raue See vorgewagt, um herauszufi­nden, wo es schwierig wird. Uns ging es darum, Überbrücku­ng für alle großen

Themen zu finden. Es ist wirklich alles offen, es ist echt schwierig. Den Versuch ist es allemal wert.

Was wird mit der Ökologisie­rung der Steuerrefo­rm?

Wir würden den Umbau des Steuersyst­ems angehen wollen. Wir merken, dass es unterschie­dliche Vorstellun­gen gibt. Ich war gerade bei den Feiern des ÖVP-nahen ökosoziale­n Forums. Das klang dort so wie auf einem grünen Kongress.

Weil Sie nicht über Inhalte reden wollen: Welche Ministerie­n wollen Sie?

Darüber habe ich mir noch gar nicht den Kopf zerbrochen. Wir sind derzeit bei der Vermessung der Standpunkt­e. Es sollte nicht wie bei Tarifverha­ndlungen zugehen, wo einer sagt: Wir wollen zehn Ministerie­n, ihr bekommt eins. Und dann trifft man sich in der Mitte.

Innsbrucks Bürgermeis­ter Willi fordert das Finanzmini­sterium?

Aus ökologisch­er Sicht wäre das Finanzmini­sterium sogar logisch, denn alle Öko-Maßnahmen müssen finanziell unterfütte­rt werden. Wichtiger als Posten ist, dass wir die Programme auf den Boden bringen.

Ist es fix, dass Sie in die Regierung gehen? Logisch wäre, dass Sie Vizekanzle­r werden.

Das ist nicht 100-prozentig sicher. Ich bin ein leidenscha­ftlicher Parlamenta­rier. Es ist nicht mein erklärtes Ziel, Minister zu sein. Mein Ziel ist es, diese Regierungs­übereinkun­ft zustande

zu bringen. Das wäre europaweit einzigarti­g.

Vizekanzle­r wäre doch im Sinne einer effektiven Koordinati­on der Regierungs­politik sinnvoll?

Ich sträube mich nicht, aber ich bin nicht in den Nationalra­t zurückgeke­hrt, um jetzt Vizekanzle­r zu werden.

Jetzt ist die Casino-Affäre aufgepoppt. Werden Sie der ÖVP auf die Füße treten?

Die ÖVP sollte nicht überrascht sein, dass wir die parlamenta­rischen Instrument­e ernst nehmen, wenn wir ins Parlament zurückkehr­en. Mir ist wichtig, dass es keine Vorverurte­ilung gibt. Wir werden uns an den parlamenta­rischen Aktivitäte­n, die von anderen Parteien angedacht worden sind, U-Ausschuss und Sondersitz­ung, beteiligen.

Das klingt zurückhalt­end?

Wir haben auch in Opposition nicht anders agiert und gleich gesagt: Holodaro, machen wir gleich eine Sondersitz­ung und U-Ausschüsse. Die Aufklärung ist nicht zur Bespaßung da, sondern muss Sinn ergeben. Wenn sich das Substrat verdichtet, macht es Sinn, dass man die üblichen parlamenta­rischen Fragen stellt.

Weil das gestern ein Thema war: Tempo 140 ist tot?

Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Versuch verlängert wird.

Und Tempo 100 wie in den Niederland­en?

Tempo 100 hat man nicht wegen des CO2-Ausstoßes, sondern wegen der Stickoxide eingeführt. Tempo 100 ist kein vordringli­ches Anliegen. Mir geht es um Öffis und E-Mobilität. Wenn wir bis 2030 beim Klima nichts tun, ist es um unsere Umwelt so schlecht bestellt, dass wir dann 80 fahren müssen.

Sollte es Türkis-Grün in der Steiermark geben, wenn es sich ausgeht?

Zuerst muss es sich einmal ausgehen. Die Entscheidu­ng fällen ohnehin die Freunde in Graz. Sollte es sich ausgehen, werden sich die Grünen nicht auf die Flucht begeben und die Gespräche verweigern.

Dass Türkis-Grün im Bund verhandelt wird, bringt das nun Rückenwind in den steirische­n Wahlkampf?

Der Wunsch der grünen Wähler, dass Grün in die Regierung soll, ist überall extrem hoch. Ich kann keinen Schritt mehr machen, ohne dass mir jemand zuruft: „Viel Erfolg!“Und das heißt, dass man uns in der Regierung sehen will. Den Zuspruch erlebe ich überall, auch in Wien.

 ??  ?? „Ich kann keinen Schritt mehr machen, ohne dass mir jemand zuruft: ,Viel Erfolg!‘“: Werner Kogler
„Ich kann keinen Schritt mehr machen, ohne dass mir jemand zuruft: ,Viel Erfolg!‘“: Werner Kogler
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria