Beben nach Steiermark-Wahl: SP-Chef geht, VP macht Tempo
Der steirische SPÖ-Chef Michael Schickhofer nimmt nach Niederlage seinen Hut. Kärntens LH Peter Kaiser mahnt Revolution ein. FPÖ schießt sich auf Ex-Chef Strache ein.
Morgens halb zehn in Graz. Michael Schickhofer hat mit seiner Frau seinen Rücktritt als SPÖLandeschef und Vize-Landeshauptmann paktiert, um 10 Uhr machte er den Abschied amtlich. Die Auszählung der Briefwahlkarten wartete er nicht mehr ab – wozu auch, das Ziel, Platz eins, war unerreichbar.
Nach Auszählung der restlichen 90.035 (gültigen) Stimmen landeten die Sozialdemokraten auf 23 Prozent (minus 6,3 Prozentpunkte). Nur die FPÖ rund um Mario Kunasek verlor stärker: 9,3 Prozentpunkte, macht 17,5 Prozent. Der große Wahlgewinner ÖVP mit Hermann Schützenhöfer pendelte sich bei 36,1 Prozent ein, ein Zuwachs von 7,6 Prozentpunkten. Was den Grazer Schützenhöfer freuen dürfte: Am Ende lag seine Fraktion in der Landeshauptstadt vorne, wenn auch nur mit 148 Stimmen vor den Grünen. Die zählen nichtsdestotrotz zu den Abräumern: Sandra Krautwaschl und Team sind erstmals zweistellig, 12,1 Prozent (+5,4 Prozentpunkte). Jene Partei, die in den Grazer Innenstadtbezirken Nummer eins wurde, holte selbst in der Obersteiermark ein Grundmandat.
Die KPÖ mit Claudia Klimt-Weithaler hat nach Briefwahlauszählung einen Sechser (+1,8 Prozentpunkte) vorne stehen – aber verfehlte um 301 Reststimmen das (hochgerechnete) dritte Mandat. Das sammelte noch die SPÖ ein. Auch die Neos von Niko Swatek (5,4 Prozent; +2,7 Punkte) zogen sicher ein; das war seit Sonntag bereits fix.
Im neu zusammengesetzten Landtag sind in Zukunft sechs Listen vertreten. Die ÖVP mit 18 Mandaten ist stärkste Kraft, kann mit der SPÖ (12 Mandate) oder der FPÖ (acht Sitze) eine belastbare Koalition bilden.
Wer regiert aber tatsächlich? Weil der Proporz abgeschafft worden ist, sitzt ja nicht mehr jede größere Fraktion automatisch in der Landesregierung. Der Stimmenstärkste startet nun einmal die Vorgespräche und in der Folge Verhandlungen – in welche Richtung, das wird der VP-Landesparteivorstand am Dienstagabend beschließen.
In Wahrheit wird der Vorstand LH Schützenhöfer jeden Wunsch erfüllen – selbst eine rechnerische Dreiervariante mit Grünen und Neos. Die ist seit Schickhofers Rücktritt aber höchst unwahrscheinlich.
Mit Jörg Leichtfried, Vize-Klubchef der Roten im Parlament, als Interims-Obmann und Landesrat Anton Lang als Regierungsverhandler sitzen der Volkspartei zwei erfahrene und pragmatische Politiker gegenüber. Man kennt und schätzt einander. So wird Schützenhöfer, wie er es im Wahlkampf gerne
betont hat, auch „so schnell wie möglich weiterarbeiten können“. Auch der als „Kronprinz“gehandelte Christopher Drexler (ÖVP) versteht sich sehr gut mit dem 60-jährigen Lang. Beide sind von der Notwendigkeit eines Leitspitals im Bezirk Liezen überzeugt.
Parteiintern ist Lang durchwegs gut angeschrieben. Horst Schachner, der einflussreiche ÖGB-Landeschef, geriet nach dem Landesparteivorstand ins Schwärmen. „Der Toni ist eine gute Lösung. Er kennt sich gut aus und ist bei den Leuten.“Am
Sonntag hat Schachner noch ganz andere Töne angeschlagen: Als sich die hohen Verluste abzeichneten, polterte er: „Wir müssen Tabula rasa machen.“
Apropos: Die Freiheitlichen wollen am Mittwoch ihr „zweitbestes Ergebnis seit 1945 in der Steiermark“analysieren. Die Auszählung am Montag änderte nichts mehr an den hohen Verlusten. Mario Kunasek bleibt aber unbestritten und würde weiterhin gerne „gestalten“, also mitregieren. Ausgeschlossen ist das noch nicht, Schützenhöfer will mit allen reden.
Die Herausforderungen für die neue Landesregierung und den Landtag sind jedenfalls enorm. Laut Prognose drohen die Finanzschulden (Land und Töchtern) bis zum Jahr 2023 auf 5,2 Milliarden Euro zu steigen. Der jüngste Gehaltsabschluss analog zum Bund – Beamtengehälter steigen im Schnitt um 2,3 Prozent – ist im Landesbudget noch nicht berücksichtigt.
Im Pflegebereich hat die Steiermark wiederum den Bundesrechnungshof im Nacken sitzen. Vertraulichen Unterlagen zufolge wird der Aufwand der
„Mobilen Dienste“kritisiert, was das Land in seiner Stellungnahme nicht akzeptieren will. Das Sozialhilfe-Ausführungsgesetz muss heuer noch vorliegen, sofern der Verfassungsgerichtshof nicht alles aufhebt.
Ach ja: „In der ersten Dezemberhälfte“, so das Land in Absprache mit der Spitalsgesellschaft Kages, wird die Bodenanalyse zum Leitspital-Areal in Stainach-Pürgg vorliegen. Je nach Ergebnis werden Opposition oder Regierung den Schwung mitnehmen wollen – in die Gemeinderatswahl 2020.