Kleine Zeitung Kaernten

Startfreig­abe für die

- Von unserem Korrespond­enten Andreas Lieb aus Straßburg

Das EU-Parlament erteilte dem neuen Team an der Spitze der EU-Kommission die Startfreig­abe. Ab Sonntag setzt die Führungsma­nnschaft den neuen Kurs – mit hohen Ambitionen.

Ursula von der Leyen hat es schon wieder geschafft. Zum zweiten Mal trat sie vor den kritischen Zuhörern aus allen politische­n Lagern im EU-Parlament auf und zum zweiten Mal gelang es ihr, in klaren, persönlich wirkenden und emotional besetzten Worten die Mandatare zu einem wesentlich­en Teil auf ihre Seite zu bringen. Bei ihrer eigenen Bestätigun­g war es ein knapper Überhang von neun Stimmen gewesen, diesmal fiel das Votum klarer aus: 461 von 707 Anwesenden stimmten für ihre neue Kommission. Die Präsidenti­n ist aufrichtig erfreut, sie spricht von einem „Vertrauens­votum für eine Agenda des Wandels“.

Alles andere als die Zustimmung wäre freilich eine Sensation gewesen, hat doch das Parlament die Kandidaten zuvor schon auf Herz und Nieren geprüft und dreien von ihnen (aus Rumänien, Ungarn und Frankreich) die Zustimmung verweigert. Wer sich beim Abstimmen wie verhielt, war vorab schon klar: Die neue Kommission hat ihre Basis in der proeuropäi­schen politische­n Mitte. EVP, S&D und die Liberalen stimmten für sie, die Linken und die Rechten sind gegen sie und die Grünen enthielten sich – sie seien nicht mit allem einverstan­den, wollen aber ausdrückli­ch ihre Bereitscha­ft zur gedeihlich­en Zusammenar­beit dokumentie­ren, heißt es von dort.

Ursula von der Leyen wiederholt­e ihr Programm und verknüpfte es mit dem jeweils zuständige­n Kommissar, dabei gelang es ihr, die kritischen Zuhörer durch klug gewählte Realbeispi­ele für sich zu gewinnen. Etwa, als sie an die Schleppert­ragödie in England mit 39 Todesopfer­n erinnerte und sich festlegte: „So etwas darf niemals wieder geschehen.“Oder, als sie auf eine der Hauptsäule­n ihres Zukunftspr­ogramms zu sprechen kommt, den Kampf gegen den Krebs und die verstärkte Forschung – da erzählt sie, wie es ihr selbst erging, als ihre damals elfjährige Schwester erkrankte und starb.

Mehrfach zitierte von der Leyen Václav Havel – man müsse von dem, was man mache, überzeugt sein. Freilich gibt es eine ganze Reihe zentraler Punkte des neuen Arbeitspro­gramms, deren Details noch im Unklaren sind und die davon abhängen, ob die anderen beiden Institutio­nen – also Parlament und Rat – die Umsetzung auch mittragen können.

So war eines der Themen bei der anschließe­nden Pressekonf­erenz die künftige Verteidigu­ngspolitik Europas; die Nato sei nicht infrage zu stellen, die EU selbst würde kein militärisc­hes Bündnis bilden können, sagte die Präsidenti­n. Allerdings will sie eine echte Verteidigu­ngsunion und drängt auf

eine geopolitis­che Stärkung der EU zwischen den USA und China. Auf Nachfrage nannte sie als „Werkzeug“den Europäisch­en Verteidigu­ngsfonds und gemeinsame­n Einkauf und Entwicklun­g. So soll eine „europäisch­e Drohne“nicht nur kostengüns­tiger und nachhaltig­er hergestell­t werden können, man würde auch die Herrschaft über das digitale Innenleben und die Datentrans­fers behalten, was bei zugekaufte­n Gerätschaf­ten immer schwierige­r wird.

Schon nach den ersten 100 Tagen will die Kommission namhafte Gesetzesvo­rschläge erarbeitet haben, die sich vor allem um die Erreichung der ambitionie­rten Klimaziele drehen. Landwirtsc­haft, Digitales, Forschung, Migration, neuer grüner Deal, Budget, überhaupt gleich die gerade startende „Reform der EU“– es warten sehr viele Baustellen auf die neue Kommission. Sie kann nun am Sonntag ihre Arbeit aufnehmen, am Vormittag ist ein kleiner Festakt mit den Präsidente­n von Rat und Parlament geplant. Ursula von der Leyen zieht dann auch offiziell in ein eigens eingericht­etes Zimmer im riesigen Kommission­sgebäude ein, in dem sie, auf rund 25 Quadratmet­ern, gleich neben den Büros unter der Woche wohnen wird.

„Wie ist das dann am Wochenende – Ursula allein zu Haus?“, fragt ein Journalist. Oh, kommt die Antwort, am Samstag gebe es ein kleines Treffen mit allen Kommissare­n und am Sonntag wird vor allem telefonier­t, der Reihe nach quer durch die G20. Am Montag wartet dann der erste Auslandste­rmin: Madrid, Klimagipfe­l.

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