Der Untergang der Sowjetunion
„Weil Gorbatschow seine Bürger nicht niederschießen lassen wollte wie in China, kam es, wie es kam.“
Anlässlich der 30. Wiederkehr des Zerfalls der Sowjetunion (SU) las ich kürzlich die These, Ronald Reagan habe die SU „zu Tode gerüstet“und Papst Johannes Paul II habe durch sein Eintreten für die polnische Solidarnosc das Ende des Kommunismus herbeigeführt. Beide Ansichten taugen für fromme Legenden, sind aber historisch alles andere als bewiesen.
Reagan hatte gar nicht die Absicht, die SU „zu Tode zu rüsten“. Seine Regierung war gekennzeichnet durch eine Ankurbelung der nach dem Vietnam-Debakel schlaffen Wirtschaft im Wege massiver Aufrüstung, welche, was den konventionellen Teil betraf (also Panzer, Flugzeuge, Kriegsschiffe) sinnlos war. Breshniev war nicht inkommodiert. Am besten erinnern wir uns an Reagans „Star Wars“-Programm, d. h. den Versuch, mit US-Raketen angreifende interkontinentale Atomraketen schon im Weltraum zu zerstören. Dutzende Milliarden Dollar zeitigten keinen militärischen Erfolg: Nur wenige der probeweise von US-Basen in Asien abgeschossenen Raketen wurden tatsächlich getroffen. Der Hintergrund war, einen Atomkrieg gegen die SU zu führen und zu gewinnen. Auf den Irrsinn dieser Pläne braucht nicht hingewiesen zu werden. Die sowjetischen Raketenexperten hatten auch hier kein Interesse, wegen einer erfolglosen Raumrüstung nachzuziehen und folglich gab es gar keinen Finanzdruck auf die SU.
Nein: Die SU zerfiel durch die Freiheitsbewegungen Osteuropas. Ungarn, die Tschechoslowakei, Polen, Estland, Lettland, Litauen und schließlich auch die DDR zwangen ihre Regime in die Knie. Das war ansteckend. Und weil Gorbatschow seine Bürger nicht niederschießen lassen wollte wie in China, kam es, wie es kam. Polen spielte keine besondere Rolle dabei, eher schon die DDR. Warum der Papst sich Verdienste um das Ende der SU gemacht haben soll, bleibt unerschlossen. Sicher, er erbat und bekam von Reagan eine diskrete finanzielle Unterstützung polnischer Opposition, vor allem der Kirche. Übrigens um den Preis seines Schweigens zu den grausigen Verbrechen der CIA in Lateinamerika, besonders in Nicaragua. Aber das ist ein anderes Kapitel.