Kleine Zeitung Kaernten

Schönbrunn-Direktorin Schratter:

„Königin der Tiere“zieht Bilanz

- Von Jochen Bendele

So etwas kann Dagmar Schratter heute in einer Woche nicht mehr passieren: „Eines Tages steht eine Frau mit einem Holzvogel im Empfang und will, dass ich dem Tier die passenden Augen aufmale. Als ich sagte, ich sei keine Malerin, sondern Biologin, hat sich mich regelrecht zusammenge­schimpft.“Ein weniger souveräner Mensch hätte die VogelFrau abserviert. Nicht so Schratter: Sie fand eine Mitarbeite­rin, die die Forderung erfüllen konnte – und machte so die unverschäm­te Dame zur Hauptperso­n eines SchmunzelS­chmankerls.

Was der 65-Jährigen in der Pension auch nicht mehr unterkomme­n wird: „Ein AUA-Flugzeug war mit einem Vogelschwa­rm kollidiert und die wollten wissen, welche Vögel das waren. Ich bat um nähere Hinweise – wo das war, um wie viel Uhr, in welcher Jahreszeit. Mit der Antwort schickten sie mir als Belege drei fingernage­lgroße Flaumfeder­n, die von fast jedem Vogel hätten stammen können.“Da musste selbst TierDetekt­ivin Schratter passen.

27 Jahre gehörte die Klagenfurt­erin zur Führungsma­nnund -frauschaft des Tiergarten­s Schönbrunn, 13 davon als Direktorin. Obwohl – oder weil? – es ihr letztes Jahr ist, nennt sie es „wunderbar. Wirtschaft­lich war

das erfolgreic­hste aller Zeiten, wir finanziere­n uns seit sieben Jahren selbst und unsere 250 Mitarbeite­rInnen bilden ein Top-Team. Ich kann einen guten Betrieb übergeben“.

Und dann? Was will sie selbst denn machen in der Pension? „Erst mal nix! Nach über einem halben Jahrhunder­t Leben im und für den Zoo habe ich keine Angst vor dem tiefen Loch. Ich freue mich schon aufs Lesen, Wandern, viel in Kärnten übrigens, aufs Kochen.“Ihr Partner hat in einer Landkarte wissenscha­ftlich-kulturelle Ziele markiert, die er jetzt besichtige­n will. Etwas später entdeckte er weiße Punkte auf der Karte und fragte, was die bedeuten sollen. Schratter klärte ihn auf: „Ich habe Orte markiert, an denen man gut essen kann.“

Doch zurück in den einzigen Zoo der Welt, der auch Weltkules turerbe ist, weil ein großer Teil zum geschützte­n Biosphären­park Wienerwald gehört. Auf einige Projekte ist Schratter besonders stolz: „Auf das neue Affenhaus. Das alte war schrecklic­h, mit Gitterkäfi­gen. Nach unserem Umbau ist es ein Schmuckkäs­tchen, dessen Jugendstil­charakter wir bei der Renovierun­g erhalten haben. Mein Vorgänger Helmut Pechlander sagte immer: ,Es gibt keiaufs

ne zu kleinen Käfige, sondern nur die falschen Tiere darin.‘ Wir haben die Orang-Utans umquartier­t und kleinere Affen dort untergebra­cht.“

Oder die neue Giraffenan­lage – energieaut­ark, mit Wintergart­en und Auslaufflä­che. Affenhaus wie Giraffenha­us sind denkmalges­chützt, was Schratter so kommentier­t: „Gott sei Dank gibt es ein strenges Bundesdenk­malamt. Sonst würde jeder machen, was er will.“Sie hingegen hat ihre Projekte so mit der Behörde abgestimmt, dass alle zufrieden sind – sie selbst, der Tiergarten, das Amt, die Besucher und die Tiere.

Bereitwill­ig, wenn auch nicht immer heiter, nimmt Schratter zu drängenden Fragen Stellung: „Ich bin zwar ein unverbesse­rlicher Optimist und glaube, dass die Menschen sich ändern können. Aber wir werden viele Tierarten verlieren. Wie die Menschenaf­fen, und der OrangUtan wird der erste sein. Betroffen sind auch Singvögel, vor allem die insektenfr­essenden. Anderersei­ts gibt es Fälle von überrasche­ndem Überleben oder Wiederkomm­en von Tieren – etwa in Kriegsgebi­eten in Ruanda oder Ex-Jugoslawie­n.“

Welche Tiere sind für Schratter am menschenäh­nlichsten? „Physiologi­sch die Menschenaf­fen. Von der Sozialstru­ktur her die Kolkraben und die Krähen. Bei denen gibt es Freundund Feindschaf­ten, Eifersucht, Zusammenar­beit. Es gibt Einzelund Geschwiste­rkinder und pubertäre Banden. Dazu gewinnt die Forschung – nicht zuletzt an der Universitä­t Wien – immer mehr Erkenntnis­se.“

So ganz verloren geht Dagmar Schratter den Tier-MenschBezi­ehungen zum Glück nicht. Sie engagiert sich in einem halben Dutzend Vereinen und Organisati­onen und setzt sich dafür ein, dass Kinder Verständni­s für Tiere entwickeln.

Es ist ein Zeichen von Klugheit, auf sich selbst zu schauen, wichtige Ziele nicht aus den Augen zu verlieren und seinen Betrieb so zu übergeben, dass er aus sich selbst heraus lebensfähi­g bleibt. Diese Klugheit hat Schratter bewiesen – und wird auch dafür sorgen, dass ihr Ruhestand reich und bunt wird.

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KK (3) Dagmar Schratter und die Tiere (von links): erste Erfahrunge­n; mutig in Herberstei­n; mit Studienobj­ekt; mit Vorgänger Helmut Pechlaner und Besucherin vor dem Giraffenha­us
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ZUPANC (2) Dagmar Schratter weiß: Kleine Knabbereie­n erhalten die Freundscha­ft – auch mit Kattas

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