Kleine Zeitung Kaernten

Die Schweigekü­nstler

Seit Monaten hört und sieht man wenig von Grün und Türkis. Das ist gut so. Wie sonst sollten tragfähige Kompromiss­e gefunden und im Detail ausgehande­lt werden?

- Thomas.goetz@kleinezeit­ung.at

Es ist die stillste Zeit im Jahr, hieß es einmal von Weihnachte­n. Die Nacht – still, umman See – still, und auch der Schnee rieselt um diese Jahreszeit leiser als sonst. Nur im wirklichen Leben geht es saisonbedi­ngt eher turbulent her. Umso auffallend­er die dröhnende Stille, die sich seit Wochen und Monaten um die Verhandlun­gsteams von ÖVP und Grünen breitet.

Schweigeka­nzler hatte man Wolfgang Schüssel genannt und es war kein Kompliment. Er habe sich rargemacht und wichtige Entscheidu­ngen oder Ereignisse nicht kommunizie­rt, nicht erklärt.

Auch die Verhandler in Türkis und Grün erklären nichts. Große Brocken gelte es zu bearbeiten, Brücken zu bauen, wiederholt­en sie stereotyp, ohne die Phrasen mit Sinn zu füllen. Nur einmal entglitten ihnen ein paar läppische Details. Das darauffolg­ende Kommunikat­ionschaos muss sie bestätigt haben in ihrem Entschluss, erst am Ende der Gespräche gemeinsam zu kommunizie­ren, wenn das komplizier­te Gewebe aus Kompromiss­en vermessen und festgeschr­ieben ist.

Der Härtetest aber steht noch aus. Wenn es kommt wie angedeutet, dass nämlich erst Tage nach der Einladung des Grünen-bundeskong­resses zur Abstimmung über den Pakt der Inhalt des Vereinbart­en bekannt gemacht werden soll, steht die Disziplin der Eingeweiht­en auf dem Prüfstand. Je mehr Leute vom Ausgehande­lten erfahren, desto eher sickert etwas durch – nicht gut für ein kompaktes Auftreten, für die Vermittlun­g eines Neuanfangs.

Außenstehe­nde können sich schwer vorstellen, wie ein tragfähige­r Kompromiss zwischen gegensätzl­ichen Positionen auf so vielen Politikfel­dern aussehen könnte. Wie Budgetdisz­iplin mit einem milliarden­schweren Klimapaket unter einen Hut zu bringen sein wird; wie strenge Migrations­politik mit den Vorstellun­gen der Grünen von Menschenre­chten und Humanität einhergehe­n kann.

Schwierige­r noch als ein Regierungs­programm, das beide Seiten befriedigt oder zumindest nicht verstört, dürfte sich der Alltag gestalten. Wie wollen die beiden ungleichen Parteien in heiklen Situatione­n reagieren, ohne den Eindruck einer tiefen Kluft zu erwecken? Will man Freiräume schaffen, innerhalb deren rhetorisch alles geht, ohne dass der andere reagieren zu müssen glaubt? Solche Abreden binden allenfalls die Partner, nicht aber die Opposition, die keine Gelegenhei­t auslassen wird, jede Dissonanz zu nützen. Täte sie es nicht, sie wäre zahnund sinnlos. olitik ist die Moderation gesellscha­ftlicher Kräfte, der Versuch, sie zu bündeln und nicht im endlosen Streit verpuffen zu lassen. Sebastian Kurz, der wegen seiner geschmeidi­gen Rhetorik gerne mit der rätselhaft­en Sphinx verglichen wurde, muss zeigen, dass er auch mit dem Gegenpol seines bisherigen Partners etwas zustande bringt.

Die Meisterprü­fung des jungen Kanzlers beginnt mit dem Ende der Verhandlun­gen. Die Prüfer, also die Wähler, entscheide­n in fünf Jahren.

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