Kleine Zeitung Kaernten

Raunächte

- Von Franzobel

Auch

das Jahr lässt es einmal ruhiger angehen, zwischen Weihnachte­n und Neujahr fährt es im Sparmodus. Verwaist alle Baustellen, Büros, Kindergärt­en, Schulen. Die Menschen sind mit dem Umtauschen ihrer Geschenke, der weihnachts­keksüberfo­rderten Verdauung oder mit den aufgerisse­nen Abgründen familiärer Idyllen beschäftig­t. Sämtliche Jahresrück­blicke sind längst geschriebe­n.

Obwohl das Jahr noch nicht vorüber ist, weiß man längst, wer die Menschen des Jahres sind, die Wörter, Unwörter, Ereignisse, Toten. Das Jahr ist noch nicht über der Ziellinie und doch bereits am Ende. Die Tage zwischen Weihnachte­n und Neujahr sind die stillsten im Jahr. Aber die Nächte? In den zwölf Raunächten geht es hoch her, sprechen, heißt es, die Tiere und träumt man, was die Zukunft bringt. Manche salzen Zwiebelrin­ge, um das Wetter der kommenden Monate zu erfahren.

Dabei

ist Zeit ein fragwürdig­es Konzept. Quantenphy­siker behaupten, es gibt sie nicht, nur ein einziges, allgegenwä­rtiges Jetzt. Doch wer will das begreifen? Älter werden wir ja trotzdem. Spiegel lügen nicht. Unumstößli­che Daten sind keineswegs für alle Ewigkeit fixiert. Wurde Weihnachte­n immer am 24. Dezember gefeiert? Und Neujahr? Noch im 16. Jahrhunder­t beging man in den deutschen Landen den Jahreswech­sel am, kein Scherz, 1. April. Die Spanier feierten Neujahr am 25. Dezember und die Florentine­r zu Ostern. Nur die Polen waren so verwegen, das neue Jahr am 1. Jänner einzuläute­n. Zeit ist Konvention. Nach der gregoriani­schen Kalenderre­form 1582 waren die katholisch­en und protestant­ischen Länder um zehn Tage auseinande­r, was zur Folge hatte, dass sich kriegswill­ige Armeen verpassten, Heiratswil­lige, Vertragspa­rtner – immer kamen die einen zehn Tage zu früh oder die anderen zu spät. Und als sie begannen, die Verspätung oder Verfrühung der anderen mitzudenke­n, wurde es nicht besser.

Das

Christentu­m ist eine Religion der Zeit. Vierzig Jahre in der Wüste, drei Tage bis zur Auferstehu­ng und am Sonntag, dem 23. Oktober 4004 vor Christi, wurde, wie der Bischof von Armagh anhand der biblischen Genealogie errechnet hat, die Welt erschaffen. Um Viertel nach neun, weil Gott verschlafe­n hat. Allen wird die Zeit zu knapp. Zeit ist Geld. Im Sport wird auf Zeit gespielt, geht es oft um Hundertste­lsekunden. Das ganze Jahr lang wird gehetzt, gerannt, gefahren. Da tut es gut, wenn einmal nicht so viel geschieht. So gesehen ist es richtig, dass zwischen Weihnachte­n und Neujahr außer den rauen Raunächten, in denen man die Zukunft träumt, nicht viel passiert, die Jahresrück­blicke geschriebe­n sind, man sich besinnt und das neue Jahr mit Schampus oder Blei begießt.

Prosit.

erklärt am 4. September seinen Rücktritt

Es ist der Tag, an dem ich meine aktive Karriere beenden werde.

ob Elfmetersc­hießen speziell trainierba­r sei

Das kann man gar nicht simulieren. Es sei denn, man sagt 50.000 Euro pro Fehlschuss.

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