Bilder unseres Jahres
Seit
einigen Jahren halten wir am Weihnachtsabend immer unsere ganz persönliche Rückschau. Jedes Familienmitglied zeigt vier oder fünf Bilder, die Höhepunkte seines abgelaufenen Jahres zeigen. Es sind Augenblicke des Glücks, die schön und traurig zugleich sind, weil sie eine Begebenheit zeigen, einen kurzen Moment, der unwiederbringlich vorüber ist und so nie wiederkehren wird.
Unser ältester Sohn am weißen Strand von Florida, wie er mit seinen beiden Kindern eine Sandburg baut, etwas dahinter seine Frau, die in beiden Händen ein Sandküberl hält und so liebevoll die kleine Gruppe betrachtet, dass einem das Herz weit wird. Ein anderes Bild: Der Jüngste steht auf dem Markusplatz in Venedig, er umarmt seine Freundin, eine junge Studentin aus der Ukraine, die er während seines Erasmus-semesters in Portugal kennen- und lieben gelernt hat. Beide schauen in den wolkenlosen Himmel. Vielleicht empfinden sie in dieser einen Minute, dass ihr Leben dem schwerelosen Flug jener Möwe gleicht, die über ihren Köpfen kreist: frei und leicht und ohne Angst.
Die mittlere Tochter lehnt am Balkongeländer ihrer ersten eigenen Wohnung, die sie mit ihrem Freund teilt. Ihr Blick ist eine Mischung aus Stolz, Zufriedenheit und Freude. Alles, was sie sich gewünscht hat, ist in Erfüllung gegangen. Nach zwei Arbeitsjahren in Deutschland ist sie nach Hause zurückgekehrt.
Während der letzten Bildfolge hat sich unsere jüngste Enkelin, die gerade ein Jahr alt geworden ist, schwankenden Schrittes vom Fernsehapparat weg und hin zum Christbaum begeben, in ihrem Gefolge unsere Hündin Happy. Beide stehen eine Zeit lang schweigend da, die eine staunend, die andere gelangweilt, ehe Elena, von den vielen neuen Eindrücken ihres ersten Weihnachtsfestes müde geworden, sich neben der Krippe auf den Teppich legt. Happy folgt ihrem Beispiel.
Beiden, Kind und Tier, fallen nach wenigen Sekunden die Augen zu. Es war das schönste Bild des Jahres, in dem sich das Wunder der Heiligen Nacht auf ganz schlichte Weise spiegelte: Statt des Knaben lag ein Mädchen da, und statt Ochs und Esel eine kleine Hündin.
Jedes Familienmitglied zeigt Fotos, die Höhepunkte eines abgelaufenen Jahres.
Sie erreichen den Autor unter