Die Hoffnung ruht nun auf Berlin
Nach dem Scheitern des Libyen-Gipfels in Moskau will die deutsche Regierung einen neuen Anlauf nehmen. Die Chance ist groß, nun eine Lösung zu finden.
Trotz des Scheiterns der Moskauer Verhandlungen über einen dauerhaften Waffenstillstand in Libyen hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel für Sonntag zu einem weiteren Gipfeltreffen zu dem Bürgerkriegsland nach Berlin eingeladen. Die Zusammenkunft für eine innerlibysche Versöhnung werde nach Absprache mit UN-Generalsekretär António Guterres auf Ebene der Staats- und Regierungschefs stattfinden.
Noch immer besteht offenbar Hoffnung, dass Fortschritte bei der Lösung des Konflikts erzielt werden können. Zwar waren die von Russland und der Türkei betreuten, separaten Unterredungen mit den Konfliktparteien in Moskau nach sieben Stunden ohne das erwünschte Ergebnis eines dauerhaften Waffenstillstands zu Ende gegangen. Doch zum einen hat Fajis al-Sarradsch, der Chef der von der UNO anerkannten Regierung, den Vertrag unterschrieben, bevor er zu Konsultationen in die Türkei flog. Zum anderen reiste der abtrünnige General Chalifa Haftar zwar ab, ohne die Vereinbarung zu unterzeichnen. Doch hat er sie nicht komplett abgelehnt, sondern sich laut dem russischen Verteidigungsministerium „eine weitere Bedenkzeit“genommen, um das Dokument zwei Tage lang „mit seinen Verbündeten zu diskutieren“. Obwohl Haftar sich ebenso wie Sarradsch weigerte, in Moskau direkt mit dem Gegenspieler zu verhandeln, hatte er in der Nacht zum Sonntag
überraschend der von der Türkei und Russland vorgeschlagenen Waffenruhe zugestimmt und damit vorsichtige Hoffnungen auf ein Ende der Gefechte aufkommen lassen.
Beide Konfliktparteien warfen sich jedoch umgehend Verstöße gegen die Kampfpause vor. Haftars Libysche Nationalarmee, die seit Monaten versucht, die Hauptstadt Tripolis
einzunehmen, gab an, sie habe eine „feindliche türkische Kampfdrohne“abgeschossen. Die russische Nachrichtenagentur Ria Nowosti berichtete unter Berufung auf eine Quelle in der Haftar-Hochburg Bengasi, der General habe nicht unterschreiben wollen, weil das Abkommen keinen Zeitplan für die angestrebte Auflösung von Regierungstruppen enthalte. Unklar ist, ob die Hoffnung auf ein Einlenken Haftars, dessen Milizen 80 Prozent Libyens kontrollieren, mehr als Wunschdenken ist. Doch wurde Haftar ebenso wie Sarradsch zum Berliner Gipfel eingeladen, an dem alle wichtigen Akteure am Ringen um ein Ende des neunjährigen Bürgerkriegs teilnehmen werden. Erwartet werden der russische Präsident Wladimir Putin, sein türkischer sowie sein französischer Amtskollege Recep Tayyip Erdog˘an und Emmanuel Macron. Ob US-Präsident Donald Trump kommt, ist unklar.
Wie internationalisiert der Konflikt inzwischen ist, zeigte die Reaktion Erdog˘ans auf den Moskauer Rückschlag. Er hatte die vorläufige Waffenruhe als Erfolg seiner neuen Mittelmeerpolitik
betrachtet, die in Libyen darauf zielt, die den Muslimbrüdern nahestehende Sarradsch-Regierung militärisch zu stabilisieren. Erdog˘an drohte Haftar nach dessen Abreise offen mit Konsequenzen. „Wir werden nicht zögern, dem Putschisten eine verdiente Lektion zu erteilen, wenn er die Angriffe auf die legitime Regierung des Landes und unsere Brüder in Libyen fortsetzt“, warnte er und warf dem Rebellenchef vor, vom Verhandlungstisch „weggerannt“zu sein, weil er den Krieg „gegen unsere Geschwister aus osmanischer Zeit“fortsetzen wolle.
Die Türkei hat nach einem Hilferuf aus Tripolis türkische Soldaten und syrische Söldner geschickt, die militärisch hilflose Sarradsch-Regierung damit vor der Einnahme durch Haftars Truppen gerettet und zugleich die politischen Spannungen im östlichen Mittelmeerraum massiv erhöht. Während eines Blitzbesuchs Putins in Istanbul am vergangenen Mittwoch änderte Erdog˘an aber seine aggressive Haltung und stimmte Friedensgesprächen zu. Russland unterstützt Haftar.