Kleine Zeitung Kaernten

„Ich würde ohne Preisgeld das Gleiche riskieren“

Im Vorjahr hat Vincent Kriechmayr die Abfahrt in Wengen gewonnen, heuer führt an Dominik Paris und Beat Feuz noch kein Weg vorbei. Heute findet in Wengen die Kombinatio­n statt.

- Von Birgit Egarter/APA

Wie oft haben Sie sich Ihre Siegesfahr­t von 2019 angeschaut?

VINCENT KRIECHMAYR: Oft, auch jetzt, bevor ich hierhergek­ommen bin. Weil ich wissen wollte, wie die Passagen so gegangen sind. Von der Körperspra­che her, wo ich den Schwung eingeleite­t habe. Natürlich hat man dann ein bisschen Selbstvert­rauen, wenn man seine Siegesfahr­t noch einmal sieht. Aber es ist ein neues Rennen, ich muss mich aufs Neue beweisen und die Leistungen umsetzen, die ich draufhabe. Und dann schauen wir, ob es sich ausgeht. Die zwei Herren, die in den letzten Jahren den Abfahrtssp­ort dominieren, sind in einer super Verfassung.

Was macht das mit einem, wenn man die Wengen-Abfahrt gewinnt?

Das ist sicher mein größter Erfolg bisher. Für einen Österreich­er ist das nach Kitzbühel vielleicht das wichtigste Rennen, das hat eine riesige Geschichte.

Sie standen in diesem Winter dreimal auf dem Podest, gewannen davon den Super-G in Gröden. Trotzdem erwähnten Sie, mit Ihrem Saisonverl­auf nicht zufrieden zu sein. Orientiere­n Sie sich nur noch an den ersten drei Plätzen?

Auf alle Fälle. Vor der Saison habe ich gesagt, dass es unser Ziel ist, um eine Kugel mitzufahre­n. Vor allem in der Abfahrt musst du, wie es diese Herren vorzeigen, sehr konstant sein, und vor allem sehr konstant am Podium. Das ist uns Österreich­ern nicht gelungen, deshalb sind wir auch im Abfahrtswe­ltcup so weit hinten. Deshalb kann ich nicht zufrieden sein, obwohl es im Super-G sehr gut gelaufen ist. Das ist natürlich Jammern auf hohem Niveau, aber mein Anspruch war, dass ich mich verbessere. Zufrieden bin ich mit den Top fünf. Und wenn man vier von sieben Speedrenne­n nicht in den Top fünf beendet, ist das nicht zufriedens­tellend.

Die zwei Herren, die Sie erwähnten, sind der Schweizer Beat Feuz und der Südtiroler Dominik Paris. Wie erklären Sie sich diese Dominanz und Konstanz und was kann man sich von ihnen abschauen?

Dass sie die Leistung auf den Punkt bringen. Beat ist im Training auch nicht immer schnell, aber im Rennen ist er einfach da, zeigt seine Leistung und macht keine Fehler. Das ist auch mein Anspruch, dass ich auf höchstem Niveau fehlerfrei runterfahr­e. Nur so gewinnt man Rennen, denn das Niveau ist sehr hoch. Bei Domi sieht man, dass er hin und wieder einen Hakler hat, aber er ist ständig am Limit, ständig am Pushen. Bei mir fällt mir oft auf, dass ich ein bisserl zurückzieh­e, das ist dann der Abstand, der einfach zu groß ist.

Auf Wengen folgt Kitzbühel, da war im Vorjahr vom Zurückzieh­en keine Spur, sie vermieden zweimal einen Sturz. Ist Kitzbühel im Abfahrtssp­ort der Olymp?

Für die Schweizer ist Wengen das wichtigste Rennen in der Abfahrt, für uns Österreich­er natürlich Kitzbühel. Die Kitzbühel-Sieger kennt man einfach. Ich kenne nicht jeden Weltmeiste­r, aber ich glaube, ich kenne jeden Kitzbühel-Sieger. Die Strecke ist so fordernd. Wenn man den Lauf von Stephan Eberharter von 2004 sieht, wie der sein letztes Hemd riskiert hat, das war schon beeindruck­end.

Zeigt sich der Stellenwer­t in der 100.000-Euro-Siegprämie, die es anlässlich des 80-Jahr-Jubiläums heuer gibt?

Ich muss ganz ehrlich sagen, wenn man Kitzbühel gewinnt, ist es das Letzte, an das man denkt, dass man 100.000 Euro gewonnen hat. Die innere Genugtuung, das Rennen gewondann

nen zu haben, ist so viel größer als jede Summe, die sie dir bieten können. Sicher, das Geld unterstrei­cht nochmals den Stellenwer­t, aber wenn es in Kitzbühel kein Preisgeld gäbe, würde ich genau das Gleiche riskieren. Auf alle Fälle. Ich bin nie Skifahrer geworden, um Geld zu verdienen. Sondern genau wegen dieser Emotionen, die man hat, wenn man einmal ein Rennen gewinnt.

Welche Emotion ist Ihnen nach dem Wengen-Sieg am meisten in Erinnerung?

Natürlich hat mich das Rennen mitgenomme­n, bei Alex Kilde wurde es noch einmal knapp. Dann war ein schöner Hubschraub­erflug, der Gewinner darf sich immer die Route aussuchen, das war Eiger, Mönch, Jungfrau, ziemlich knapp am Felsen vorbei. Das war eine sehr coole Erfahrung. Aber grundsätzl­ich ist die schönste Erinnerung, als ich dann vor der großen Siegerehru­ng in meinem

Bett gelegen bin, als bei mir ankam, dass ich das gewonnen habe. Die innere Genugtuung. Die Siegerehru­ng habe ich sehr genossen, aber das war nicht der schönste Moment. Obwohl es immer schön ist, die Hymne zu hören.

Was schätzen Sie an Wengen im Vergleich zu Kitzbühel?

Das ist schwierig, das wird wieder gegen mich verwendet. Aber grundsätzl­ich ist Wengen mein Lieblingsr­ennen. Wegen des Flairs, man fährt mit dem Zug rauf. Das Panorama am Start, die Strecke. Natürlich ist die Kitzbühel-Abfahrt unglaublic­h, aber Wengen ist schon etwas ganz Spezielles. Ich bin irrsinnig gern hier. In Kitzbühel kommen so viele Termine auf uns zu, da ist viel mehr Trubel. Das ist schön, weil wir sehen, was für einen Stellenwer­t unser Sport in Österreich hat. Aber wer mich kennt, der weiß, dass ich es einfach gern ruhig habe. Deshalb genieße ich es hier.

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GEPA Vincent Kriechmayr hat an Wengen beste Erinnerung­en

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