Die Umtriebe der Spedition Erdberg
Alexander Charim inszeniert im Museumsquartier David Schalkos „Schwere Knochen“.
Die Einrichtung von Romanen für die Bühne ist zu einem regelrechten Hype geworden. Mit nicht selten zweifelhaftem Ergebnis. David Schalkos historisch hinterfütterte Gangsterstory „Schwere Knochen“, als Buch 500 Seiten schwer, hat dieses Schicksal nun auch ereilt. Es wurde aber ein veritables Theaterstück daraus. In der Halle E im Museumsquartier – das Volkstheater-Stammhaus wird derzeit renoviert – wurde es uraufgeführt.
Schalko erzählte die Geschichte von vier Wiener Unterweltlern, allen voran der massige Ferdinand Krutzler, die schon vor dem Einmarsch der Nazis krumme Geschäfte machten. Krutzler landet in Mauthausen. Mit Schläue und Brutalität bringt er es dort zum Kapo. Eine ideale Ausbildung zum späteren Nachkriegsgangster, der als „Notwehrspezialist“etliche Morde begeht. Das Nachkriegs-Wien samt Besatzern ist ein Wimmelbild der Machtspiele und Eigeninteressen, die Krutzler und seine „Spedition Erdberg“geschickt ausnützen. Und wo List nicht ausreicht, wird bedenkenlos Gewalt geübt.
Älteren Theaterbesuchern mögen reale Vorbilder wie der G’schwinde, die Wilde Wanda, der Notwehr-Krista u. a. noch in Erinnerung sein. Aber Schalkos Roman ist mehr als eine austriakische Räuberpistole, es ist eine teils herzzerreißende Geschichte von verwehrter Würde, verweigerter Liebe und menschlicher Gier.
Anita Augustin gelang es, für die Bühnenfassung das Wesentliche zu destillieren, und Alexander Charim setzt es mit einer präzisen Regie um. Scheinbar mühelos wechselt er zwischen dramatisierter Erzählung, in der die Protagonisten manchmal in der dritten Person über sich reden, und einer Art Nummernrevue mit schrillen Sketches. Tief berühren jene Szenen im Konzentrationslager, in denen ein SS-Mann als Weißclown – ein Gruß an den Joker? – agiert und damit die Obszönität des Lagerlebens bizarr verstärkt.
Acht von neun durchwegs grandios agierenden Darstellern schlüpfen genderüberschreitend in bis zu neun Rollen. Nur Krutzler darf Krutzler bleiben. Thomas Frank wirkt dabei aber nur selten so brutal, wie er beschrieben wird.
Die Fokussierung auf die KZ-Episode rächt sich im zweiten Teil des dreieinhalbstündigen Abends. Man fühlt, wie dem Team die Zeit davonläuft – und das trotz einiger offenkundiger Leerstellen. Eine noch beherztere Kürzung des Gesamttextes hätte dem Ergebnis gedient.
Schwere Knochen. MQ/Halle E, Nächste Termine: 18., 19., 22., 28.1., 19.30 Uhr. www.volkstheater.at