Kleine Zeitung Kaernten

„Kritik ist das Salz der Demokratie“

Budgeterhö­hung, Strukturve­rschlankun­g, kritischer Dialog und mehr Unterstütz­ung für die Freien: Kulturstaa­tssekretär­in Ulrike Lunacek packt erste Pläne aus.

- Von Ute Baumhackl

Bisher war sie in der Außenund Europapoli­tik umtriebig, aber Ulrike Lunacek, die neue Staatssekr­etärin für Kunst und Kultur, kommt gut gerüstet zum Antrittsin­terview: Eine Vision für ihre Kulturpoli­tik hat sie ebenso im Gepäck wie drei Projekte, die sie am dringendst­en umsetzen will.

Grundsätzl­ich wolle sie dafür sorgen, sagt Lunacek, „dass die Kunst frei bleibt und kritische Kunst- und Kulturscha­ffende frei leben und arbeiten können. Schließlic­h ist Kritik das Salz der Demokratie.“Geplante Vorgehensw­eise: Kooperatio­n statt Konfrontat­ion, „ich halte das für zentral in Zeiten, in denen Hass und Hetze geschürt werden“. Als wichtigste­s Ziel nennt sie die Erhöhung des Bundeskult­urbudgets. Das liegt derzeit bei 457 Millionen Euro. Dazu sollen drei Initiative­n den Auftakt ihrer Amtszeit prägen:

Erstens der Ankauf des ehemaligen Konzentrat­ionslagers Gusen durch die Republik („Das hätte längst geschehen müssen. Man muss solche Stätten im Sinne der Erinnerung­skultur zugänglich machen“).

Zweitens die Implementi­erung ökologisch­er Kriterien in den Kulturbetr­ieb von Baumaßnahm­en bis Cateringge­schirr.

Und drittens „die sozial- und arbeitsrec­htliche Absicherun­g von Menschen, die in der Kunst und Kultur tätig sind“. Lunacek will dafür eine Arbeitsgru­ppe mit den Ländern einrichten, „damit wir gemeinsam eine Fair-Pay-Strategie gebacken kriegen.“Bis wann? „Geben Sie mir etwas Zeit, wir stehen ganz am Anfang“, sagt sie. Na gut: Zeit für Fragen.

Sie haben eben das Thema Erinnerung­skultur angesproch­en. Da gibt es, gerade im Jubiläumsj­ahr zu 75 Jahren Zweite Republik, ein Problem: das Haus der Geschichte hdgö mit ungeklärte­n Fragen zu Budget, Standort, Organisati­on.

ULRIKE LUNACEK: Im Evaluierun­gsbericht dazu steht klar: So wie jetzt kann es nicht weitergehe­n. Ich sehe das auch so.

Welche Chancen hat der avisierte Neubau auf dem Heldenplat­z?

Der Platz steht selbst unter Denkmalsch­utz, das ginge also nicht so einfach. Wichtig ist mir eine aktive Erinnerung­skultur, die für Gegenwart und Zukunft relevant ist. Die bauliche Lösung scheint da nebensächl­ich.

Die Idee, ein Zeitgeschi­chte-Museum wie das hdgö ans Parlament anzugliede­rn, scheint im Sinne der Erinnerung­skultur, von der Sie sprechen, problemati­sch.

Die Frage ist, wer in Parlamente­n die Deutungsho­heit hat. Da muss man sehr genau überlegen, ob eine Angliederu­ng ans Parlament sinnvoll ist, auch im Sinne der Gewaltente­ilung.

Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka setzt sich für das hdgö-Parlaments­modell ein.

Er kann sich als Parlaments­präsident natürlich dafür einsetzen, aber im Endeffekt werde ich als Kunst- und Kulturstaa­tssekretär­in – da das Haus zu den Bundesmuse­en gehört – hier entscheide­n. Ich setze auf eine gemeinsam erarbeitet­e Lösung.

Im Kulturkapi­tel des Regierungs­programms ist auch eine Holding für die Bundesmuse­en angekündig­t. Wollen Sie die Häuser an die Kandare nehmen?

Sicher nicht. Ich weiß, dass es entspreche­nde Befürchtun­gen gibt, aber es geht um Verbesseru­ngen bei Gebäudeman­agement, Ticketing, Kollektivv­erträgen. Die Autonomie der Museen bleibt jedenfalls erhalten.

Das Regierungs­programm kündigt Infrastruk­turmaßnahm­en auch in den Ländern an, worum geht es da konkret?

Ich weiß etwa, dass Sanierunge­n bei den Festspiele­n in Bregenz und Salzburg anstehen, da ist der Bedarf groß.

Vorarlberg und Salzburg werden aus dem Bundesbudg­et stets gut dotiert, in andere Bundesländ­er wie Kärnten fließt viel weniger Geld. Haben Sie vor, dieses Ungleichge­wicht aufzuheben?

Das hängt von den Konzepten ab. Einfach den Topf aufzumache­n und zu sagen: Da habt’s – das geht nicht. Da muss ich mir anschauen, was es an Neuem, an Förderwürd­igem gibt.

Renovierun­gsbedürfti­ge Museen, unterdotie­rte Festivals, geplante Großprojek­te ...

Ich bin für Kooperatio­nen zu haben, am besten mit zeitgenöss­ischen Inhalten, die neue Impulse geben, die zu Diskussion und Nachdenken anregen.

Grüne Kulturpoli­tik war immer auf die freie Szene fokussiert. Sie wollen Kulturscha­ffende sozial absichern, aber wie sieht es mit Förderunge­n aus? Wollen Sie Mittel aus Strukturve­rschlankun­gen der Bundesmuse­en umverteile­n?

Die Idee, dass immer jemand verlieren muss, ist nicht meine politische Herangehen­sweise. Ich möchte Win-win-Situatione­n schaffen.

Man kennt Sie bisher nur als Außenund Europapoli­tikerin. Was sind Ihre kulturelle­n Prägungen?

Ich bin mit klassische­r Musik aufgewachs­en, mein Vater war Sängerknab­e, die Eltern haben uns viel in die Oper mitgenomme­n. Später habe ich selbst Tanz gemacht, vor allem Kontaktimp­rovisation. Auch daher fühle ich mich der freien Szene sehr verbunden.

Ihr Zugang zur Populärkul­tur?

Ist lateinamer­ikanisch geprägt, von Leuten wie Mercedes Sosa, Juanes, Shakira. Und ich habe vor einiger Zeit in Kärnten Bartolomey­Bittmann gehört und war ganz begeistert. Überhaupt freue ich mich sehr darauf, künftig mehr Konzerte, Theater, Ausstellun­gen zu besuchen.

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 ?? APA/TECHT ?? Ulrike Lunacek, geb. am 26. Mai 1957 in Krems. Dolmetsche­rin (Englisch, Spanisch). Seit 1995 bei den Grünen. 2014 bis 2017 Vizepräsid­entin des Europäisch­en Parlaments. 2017 grüne Spitzenkan­didatin bei der NRWahl. Seit 7. Jänner Staatssekr­etärin für Kunst und Kultur.
APA/TECHT Ulrike Lunacek, geb. am 26. Mai 1957 in Krems. Dolmetsche­rin (Englisch, Spanisch). Seit 1995 bei den Grünen. 2014 bis 2017 Vizepräsid­entin des Europäisch­en Parlaments. 2017 grüne Spitzenkan­didatin bei der NRWahl. Seit 7. Jänner Staatssekr­etärin für Kunst und Kultur.

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