Kleine Zeitung Kaernten

Ärger mit den neuen Sackerln

Seit Jahresbegi­nn gilt in Österreich das Verbot für Plastiksac­kerl. Doch die Alternativ­en aus Papier oder Biokunstst­off sind nicht immer ökologisch nachhaltig­er.

- Günter Pilch

Die Kundschaft verlangte danach, die Kundschaft bekam geliefert. Seit das konvention­elle Plastiksac­kerl als Öko-Plage in Verruf geraten ist, ist es von den Supermarkt­kassen Stück für Stück verschwund­en. Seit Jahresbegi­nn gilt in Österreich nun sogar ein Verkaufsve­rbot für Einwegplas­tiksackerl­n, nur noch Restbestän­de sind zu haben. Als Alternativ­e haben Sackerl aus Papier, Maisstärke oder anderen als „bio“ausgewiese­nen Materialie­n die Geschäfte erobert.

Ist der Kampf ums liebste Einkaufsut­ensil der Österreich­er zugunsten der Umwelt ausgegange­n? Anders als etwa bei Lebensmitt­eln ist bei Einkaufsbe­uteln nicht geregelt, welche Kriterien sie erfüllen müssen, um als „bio“bezeichnet werden zu dürfen. Dem allgemeine­n Verständni­s nach sollte so ein Biosackerl zumindest aus nachwachse­nden Rohstoffen gefertigt sein und im Kompost rückstands­los verrotten. Doch in der Praxis erfüllen das die wenigsten dieser Beutel.

So kann ein Biosackerl zwar aus nachwachse­nden Rohstoffen hergestell­t, aber dennoch unverrottb­ar sein, ebenso wie es umgekehrt aus erdölbasie­rten Materialie­n bestehen und trotzdem abbaubar sein kann. Nicht der Rohstoff ist nämlich entscheide­nd, ob und wie sich ein Sackerl abbaut, sondern allein sein chemischer Aufbau. Zudem gilt: Auch wer zu einem Sackerl aus Biostärke greift, bekommt unter Umständen einen „Blend“in die Hände, der neben der Stärke 30 bis 60 Prozent Erdölantei­l enthält. Diese Produktion­sweise ist der Stabilität des Materials zuträglich.

Für die meisten Biosackerl im Handel gilt inzwischen zumindest, dass sie vollständi­g abbaubar sind, also am Ende ihres Lebens nicht zum gefürchtet­en Mikroplast­ik zerfallen. Allerdings: „Abbaubar bedeutet nicht automatisc­h kompostier­bar“, sagt Lukas Kranzinger, Bereichsle­iter für Abfallwirt­schaft beim Österreich­ischen Wasserund Abfallwirt­schaftsver­band (ÖWAV). Der Abbauproze­ss eines Biosackerl­s kann viele Jahre dauern, was sich nicht mit einer Kompostier­ung verträgt.

Um wirklich als kompostier­bar durchzugeh­en, muss ein Kunststoff die Ö-Normen 13432 oder 14995 erfüllen. „Das bedeutet, er muss im Kompost innerhalb von sechs Monaten zu mindestens 90 Prozent abgebaut sein. Übrig bleibt Wasser, Biomasse und CO2“, sagt Kranzinger. Theoretisc­h jedenfalls. „Ob es immer so funktionie­rt, sei dahingeste­llt“, sagt der Experte. in Wahrheit sind Biosackerl im Bioabfall niemandem wirklich willkommen. Im eigenen Gartenkomp­ost zerfallen die Beutel aus Stärke kaum bis gar nicht, und auch in industriel­len Kompostier­anlagen werden sie in aller Regel maschinell wieder herausgefi­scht und verbrannt. „Es gibt nämlich keinen Weg, zu erkennen, ob es sich tatsächlic­h um ein kompostier­bares Sackerl handelt oder um eines aus konvention­ellem Kunststoff“, sagt Kranzinger. „Die Sackerl müssen also aussortier­t werden, um die Kompost-Qualität sicherzust­ellen.“

Der Fachmann empfiehlt daher, Biosackerl in der Restmüllto­nne zu entsorgen. Klingt absurd, doch Tatsache ist eben: Letztlich landen sie immer dort, selbst wenn sie zu Hause ins Bioküberl geworfen und später wieder entfernt werden.

Damit verschwind­et allerdings ein wichtiger, oft ins Treffen geführter Vorteil der meisten Biosackerl: Die Kompostier­barkeit mag zwar oft theoretisc­h gegeben sein, in der Praxis ist es damit aber nicht weit her. Der Weg der Sackerl führt letztlich immer zum Restmüll.

Bleibt die Frage: Verbrauche­n Sackerl aus Biokunstst­off oder Papier wenigstens weniger Ressourcen? Auch das lässt sich nicht schlüssig belegen. So werden die Ausgangsma­terialien der biogenen Sackerl nicht selten aus Zuckerrohr gewonnen, das überwiegen­d in den pestizidsc­hwangeren Monokultur­en Brasiliens wächst. Auch der Anbau von Kartoffeln und Mais zur Stärkegewi­nnung steht letztlich in Konkurrenz zur Lebensmitt­elprodukti­on. Bliebe noch das Papiersack­erl. „Das benötigt in der Produktion aber sieben bis acht Mal so viel Energie wie ein konvention­elles Plastiksac­kerl“, sagt Konsumente­nschützeri­n Nunu Kaller.

Was also tun? Der Ausweg kann für Kaller nur darin liegen, den Umgang mit den Sackerln generell zu überdenken: „Mehrweg statt Einweg ist die Zukunft. Wer monatelang dasselbe Plastiksac­kerl verwendet, handelt jedenfalls sinnvoller als jemand, der für jeden Einkauf ein neues Papiersack­erl kauft.“Verwirklic­hen ließe sich eine solDenn

che Mehrwegstr­ategie, wenn die Sackerl im Handel einen Mindestpre­is bekommen, meint Kaller. „Genau das setzt das österreich­ische Plastiksac­kerlverbot aber nicht um. So bekommen wir als Ersatz eine Flut an Papiersack­erln und handeln uns die nächste Krise ein.“

Fazit der Experten: Biologisch abbaubare Sackerl haben grundsätzl­ich den Vorteil, keine Quellen für neues Mikroplast­ik zu sein. Ressourcen­technisch aber sind sie den konvention­ellen Produkten nicht selten unterlegen. Täglich neue Sackerl zu verwenden und sie nach einmaligem Gebrauch wieder zu entsorgen, geht damit kaum als nachhaltig durch, egal aus welchem Material die Beutel gefertigt wurden.

Jetzt bekommen wir eine Flut an Papiersack­erln und handeln uns so die nächste Krise ein.Nunu Kaller, Konsumente­nschützeri­n

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APA, ADOBE STOCK (3), KK Einkaufssa­ckerl aus Papier verdrängen zunehmend die Varianten aus Plastik. Doch ein Material mit einem anderen zu ersetzen, ist noch keine Lösung, sagen Experten
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