Ärger mit den neuen Sackerln
Seit Jahresbeginn gilt in Österreich das Verbot für Plastiksackerl. Doch die Alternativen aus Papier oder Biokunststoff sind nicht immer ökologisch nachhaltiger.
Die Kundschaft verlangte danach, die Kundschaft bekam geliefert. Seit das konventionelle Plastiksackerl als Öko-Plage in Verruf geraten ist, ist es von den Supermarktkassen Stück für Stück verschwunden. Seit Jahresbeginn gilt in Österreich nun sogar ein Verkaufsverbot für Einwegplastiksackerln, nur noch Restbestände sind zu haben. Als Alternative haben Sackerl aus Papier, Maisstärke oder anderen als „bio“ausgewiesenen Materialien die Geschäfte erobert.
Ist der Kampf ums liebste Einkaufsutensil der Österreicher zugunsten der Umwelt ausgegangen? Anders als etwa bei Lebensmitteln ist bei Einkaufsbeuteln nicht geregelt, welche Kriterien sie erfüllen müssen, um als „bio“bezeichnet werden zu dürfen. Dem allgemeinen Verständnis nach sollte so ein Biosackerl zumindest aus nachwachsenden Rohstoffen gefertigt sein und im Kompost rückstandslos verrotten. Doch in der Praxis erfüllen das die wenigsten dieser Beutel.
So kann ein Biosackerl zwar aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt, aber dennoch unverrottbar sein, ebenso wie es umgekehrt aus erdölbasierten Materialien bestehen und trotzdem abbaubar sein kann. Nicht der Rohstoff ist nämlich entscheidend, ob und wie sich ein Sackerl abbaut, sondern allein sein chemischer Aufbau. Zudem gilt: Auch wer zu einem Sackerl aus Biostärke greift, bekommt unter Umständen einen „Blend“in die Hände, der neben der Stärke 30 bis 60 Prozent Erdölanteil enthält. Diese Produktionsweise ist der Stabilität des Materials zuträglich.
Für die meisten Biosackerl im Handel gilt inzwischen zumindest, dass sie vollständig abbaubar sind, also am Ende ihres Lebens nicht zum gefürchteten Mikroplastik zerfallen. Allerdings: „Abbaubar bedeutet nicht automatisch kompostierbar“, sagt Lukas Kranzinger, Bereichsleiter für Abfallwirtschaft beim Österreichischen Wasserund Abfallwirtschaftsverband (ÖWAV). Der Abbauprozess eines Biosackerls kann viele Jahre dauern, was sich nicht mit einer Kompostierung verträgt.
Um wirklich als kompostierbar durchzugehen, muss ein Kunststoff die Ö-Normen 13432 oder 14995 erfüllen. „Das bedeutet, er muss im Kompost innerhalb von sechs Monaten zu mindestens 90 Prozent abgebaut sein. Übrig bleibt Wasser, Biomasse und CO2“, sagt Kranzinger. Theoretisch jedenfalls. „Ob es immer so funktioniert, sei dahingestellt“, sagt der Experte. in Wahrheit sind Biosackerl im Bioabfall niemandem wirklich willkommen. Im eigenen Gartenkompost zerfallen die Beutel aus Stärke kaum bis gar nicht, und auch in industriellen Kompostieranlagen werden sie in aller Regel maschinell wieder herausgefischt und verbrannt. „Es gibt nämlich keinen Weg, zu erkennen, ob es sich tatsächlich um ein kompostierbares Sackerl handelt oder um eines aus konventionellem Kunststoff“, sagt Kranzinger. „Die Sackerl müssen also aussortiert werden, um die Kompost-Qualität sicherzustellen.“
Der Fachmann empfiehlt daher, Biosackerl in der Restmülltonne zu entsorgen. Klingt absurd, doch Tatsache ist eben: Letztlich landen sie immer dort, selbst wenn sie zu Hause ins Bioküberl geworfen und später wieder entfernt werden.
Damit verschwindet allerdings ein wichtiger, oft ins Treffen geführter Vorteil der meisten Biosackerl: Die Kompostierbarkeit mag zwar oft theoretisch gegeben sein, in der Praxis ist es damit aber nicht weit her. Der Weg der Sackerl führt letztlich immer zum Restmüll.
Bleibt die Frage: Verbrauchen Sackerl aus Biokunststoff oder Papier wenigstens weniger Ressourcen? Auch das lässt sich nicht schlüssig belegen. So werden die Ausgangsmaterialien der biogenen Sackerl nicht selten aus Zuckerrohr gewonnen, das überwiegend in den pestizidschwangeren Monokulturen Brasiliens wächst. Auch der Anbau von Kartoffeln und Mais zur Stärkegewinnung steht letztlich in Konkurrenz zur Lebensmittelproduktion. Bliebe noch das Papiersackerl. „Das benötigt in der Produktion aber sieben bis acht Mal so viel Energie wie ein konventionelles Plastiksackerl“, sagt Konsumentenschützerin Nunu Kaller.
Was also tun? Der Ausweg kann für Kaller nur darin liegen, den Umgang mit den Sackerln generell zu überdenken: „Mehrweg statt Einweg ist die Zukunft. Wer monatelang dasselbe Plastiksackerl verwendet, handelt jedenfalls sinnvoller als jemand, der für jeden Einkauf ein neues Papiersackerl kauft.“Verwirklichen ließe sich eine solDenn
che Mehrwegstrategie, wenn die Sackerl im Handel einen Mindestpreis bekommen, meint Kaller. „Genau das setzt das österreichische Plastiksackerlverbot aber nicht um. So bekommen wir als Ersatz eine Flut an Papiersackerln und handeln uns die nächste Krise ein.“
Fazit der Experten: Biologisch abbaubare Sackerl haben grundsätzlich den Vorteil, keine Quellen für neues Mikroplastik zu sein. Ressourcentechnisch aber sind sie den konventionellen Produkten nicht selten unterlegen. Täglich neue Sackerl zu verwenden und sie nach einmaligem Gebrauch wieder zu entsorgen, geht damit kaum als nachhaltig durch, egal aus welchem Material die Beutel gefertigt wurden.
Jetzt bekommen wir eine Flut an Papiersackerln und handeln uns so die nächste Krise ein.Nunu Kaller, Konsumentenschützerin