Kleine Zeitung Kaernten

Außenminis­ter Schallenbe­rg und Kulturstaa­tssekretär­in Lunacek.

Außenminis­ter Alexander Schallenbe­rg über Ankaras Abdriften von Europa, die Kriegsgefa­hr am Persischen Golf und den Abschied der Briten von der EU.

- Von Stefan Winkler

Herr Minister, Sie dürfen als Einziger der Übergangsr­egierung weitermach­en. Was ist das für ein Gefühl? ALEXANDER SCHALLENBE­RG: Das eines Neuanfangs. Mit der geschäftsf­ührenden Bundesregi­erung waren wir in einer Phase des Verwaltens. Mit einem klaren Regierungs­programm und einer Mehrheit im Nationalra­t können wir jetzt gestalten.

Was für Akzente werden Sie in der Außenpolit­ik setzen? Wichtig ist mir, dass wir gemeinsam mit Sebastian Kurz und Karoline Edtstadler erstmals eine Außen- und Europapoli­tik aus einem Guss machen. Mein Fokus wird auf Multilater­alismus, Menschenre­chten Klimaschut­z und Abrüstung liegen, wo Österreich besondere Glaubwürdi­gkeit hat. Ich will Wien als Ort des Dialoges stärken. Dann gibt es noch die traditione­llen Schwerpunk­te: die Nachbarsch­aftspoliti­k am Westbalkan und die strategisc­hen Partnersch­aften mit Russland, China und den USA.

Wäre es für eine Europa- und Außenpolit­ik aus einem Guss nicht besser, auch die Europaagen­den bei Ihnen zu belassen? Die EU-Kompetenze­n sind bereits seit 2017 im Kanzleramt sehr gut aufgehoben. Denn der Europäisch­e Rat hat im Institutio­nenkonzert der EU eine zentrale Rolle. Wir werden sehr eng zusammenar­beiten. Es wird kein Löschblatt zwischen uns passen.

Sie waren gerade in Brüssel. Wie sieht man dort Türkis-Grün? Sehr positiv. Die Aufmerksam­keit ist groß. Alle haben die Regierungs­bildung mitverfolg­t.

Könnte die neue Koalition Modellchar­akter für Europa haben? Es wäre vermessen, zu glauben, dass Österreich Modell ist. Aber Vorreiter sind wir jetzt in Europa schon irgendwie.

War Türkis-Blau ein Fehler? Keineswegs.

Die neue Regierung bekennt sich klar zu Europa. Schmerzt es Sie, dass die EU so schwach ist? Die EU ist weltpoliti­sch nicht so schwach, wie man es immer wieder in europäisch­en Medien darstellt.

Sie ist nicht einmal in der Lage, vor der eigenen Haustür, in Syrien, in Libyen Ordnung zu schaffen. Kein internatio­naler Partner schafft das alleine, auch nicht die Amerikaner. Das wird nur gelingen, wenn es eine gemeinsame Anstrengun­g der internatio­nalen Gemeinscha­ft gibt und ein Minimum an Willen der jeweiligen Konfliktpa­rteien.

Was hat die EU aggressive­n globalen Mächten wie Russland und China entgegenzu­setzen?

Das europäisch­e Lebensmode­ll ist weiterhin sehr attraktiv. Wir Europäer können es mit einem Quäntchen Selbstvert­rauen durchaus aktiver in der Welt vertreten.

Am Balkan schwindet Europas Glanz. Wie groß ist die Gefahr, dass die Region abdriftet?

In der Politik gibt es kein Vakuum. Wenn Europa den Anschein erweckt, sich vom Westbalkan zurückzuzi­ehen, werden andere Akteure, Russland, China, die Türkei, nachstoßen. Das kann nicht in unserem Interesse sein. Wir wollen, dass alle Staaten des Westbalkan irgendwann Teil der EU-Familie sind.

Der gefährlich­ste Konflikthe­rd ist derzeit der Persische Golf. Wird es Krieg mit dem Iran geben?

Die unmittelba­re Gefahr ist nicht mehr so akut wie vor einigen Tagen. Aber leider sind wir weit davon entfernt, Entwarnung geben zu können. Die Lage ist unglaublic­h angespannt.

Teheran hat nun offiziell den Abschuss des ukrainisch­en Passagierf­lugzeugs zugegeben. Soll die EU neue Sanktionen verhängen? Der Iran hat diesen Schritt gesetzt. Das ist positiv zu vermerken. Der Abschuss war eine bedauerlic­he Katastroph­e. Die wirkliche Konsequenz, die wir alle daraus ziehen müssen, ist, den Mut zu finden, aus der Gewaltspir­ale auszubrech­en.

Was kann Europa dafür tun? Europa hat belastbare Beziehunge­n und Dialogkanä­le zu beiden Konfliktpa­rteien, zu den USA und zum Iran. Beides sollten wir jetzt einsetzen. Denn womit wir gegenwärti­g konfrontie­rt sind, ist auf Französisc­h ein „dialogue de sourds“, ein Sich-Anschweige­n.

Sie sagen, Sie stünden ohne Wenn und Aber hinter dem Wiener Atomabkomm­en. Ist der Deal in Wahrheit nicht längst tot?

Das sehe ich nicht so. Ja, es stimmt, dass sich der Iran und die USA schrittwei­se vom Atomdeal zurückgezo­gen haben. Aber ihn zu Grabe zu tragen, wäre falsch. Es ist ähnlich wie beim Pariser Klimaabkom­men. Auch wenn nicht alle daran teilnehmen, ist es trotzdem richtig und wird aufrechter­halten. Hätte es den Wiener Atomdeal nicht gegeben, würde der

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Außenminis­ter Schallenbe­rg über den IranUSA-Konflikt: „Wir sind weit davon entfernt, Entwarnung geben zu können.“
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