Kleine Zeitung Kaernten

Orbáns Masterplan für die Wiederwahl

Viktor Orbán regiert Ungarn seit zehn Jahren. 2022 will er wieder siegen – aber mit anderen Themen als bisher.

- Von unserem Korrespond­enten Boris Kálnoky aus Budapest

Am Sonntag hielt er seine jährliche Rede zur Lage der Nation, die 22. seit 1999. Wie immer gab es auch dieses Mal bombige Sprüche, deren einziger Zweck darin bestand, die Medien zu Schlagzeil­en zu verleiten: „Ein Liberaler ist ein Kommunist mit einem Diplom.“Und das von Liberalen gerne in Stellung gebrachte Etikett „Populist“sei heute das, was früher das Wort „Klassenfei­nd“im Kommunismu­s war.

Aber das waren leere Phrasen, Köder für Journalist­en.

Das eigentlich Interessan­te war, dass Orbán in dieser Rede – und zuvor bereits auf seiner jährlichen Pressekonf­erenz am 9. Jänner – im Grunde den Masterplan für seine Wiederwahl im Jahr 2022 umriss. Man werde es so machen wie Muhammad Ali, sagte er: „Tanzen wie ein Schmetterl­ing und stechen wie eine Biene.“

Zwar betonte Orbán, nach einer „zu langen“Wahlkampfp­eriode mit drei Wahlen (Parlaments­wahlen 2018, EU-Wahlen und Kommunalwa­hlen 2019) werde nun Ruhe einkehren, eine Zeit konstrukti­ven Regierens. Aber bereits am 9. Jänner hatte er zugleich seine Kandidatur für die nächste Wahl angekündig­t und damit eigentlich schon den nächsten Wahlkampf begonnen.

Die Themen und auch die Mittel, mit denen er siegen will, sind dabei teilweise andere als bisher. Immer noch gilt das Leitmotiv „keine Migration“, und immer noch muss der US-Milliardär ungarisch-jüdischer Herkunft

George Soros als Feindbild herhalten. Orbán beschuldig­te ihn am Sonntag, er habe „dreimal versucht, Ungarn auszuplünd­ern“, zuletzt, indem er illegale Migration befürworte­t und gefördert habe und weiterhin fördere.

Aber es gibt auch neue Themen. Zuvorderst den Klimaschut­z, den Orbán in seiner Rede „eine patriotisc­he und christlich­e Pflicht“nannte.

Er betonte, dass man eine konservati­ve, christdemo­kratische Umweltstra­tegie aufbauen müsse. Denn die Grünen seien nur außen grün, innen rot.

Beim Thema Umwelt macht sich jetzt eine frühe Strategie bezahlt: Staatspräs­ident János Áder hat sein Wirken von Anfang an dem Umweltschu­tz gewidmet. Das brachte ihm im vergangene­n September eine Einladung zum Klimagipfe­l der UN und einen willkommen­en Auftritt dort ein. Er konnte betonen, dass Ungarn seit 1990 gut 32 Prozent weniger CO2 ausstößt, obwohl Energiever­brauch und Wirtschaft stark gewachsen sind, dass Ungarn seine Sonnenener­gie-Kapazität bis 2030 verzehnfac­hen, keine Kohle mehr verwenden und

stattdesse­n mehr Atomenergi­e produziere­n werde. Ungarns Waldfläche­n sollen bis 2050 um 30 Prozent wachsen. Die Strategie ist also klar: Die Grünen als „rot“beschimpfe­n und dabei selbst Ergebnisse präsentier­en, erzielen, die als klimapolit­ische Spitzenkla­sse verkauft werden können. Das ist deswegen wichtig, weil auch Ungarns urbane Jugend zunehmend grün denkt. Das war ein Grund für den Sieg des „grünen“Politikers Gergely Karácsony bei den Budapester Bürgermeis­terwahlen im vergangene­n Oktober.

Karácsony siegte aber auch, weil er jung ist und die städtische Jugend sich mit ihm identifizi­eren kann. Orbán hat ein Generation­enproblem. Seit seinem Amtsantrit­t 2010 sind 1,2 Millionen Wahlberech­tigte verstorben und eine Million neue Wähler auf den Markt gekommen. Sie tendieren zur neuen Momentum-Partei: liberal, grün, jung. Momentum ist inzwischen die stärkste Opposition­skraft.

Die Regierungs­partei Fidesz braucht also neue, junge Gesichter und einen neuen Ton im Umgang mit der Jugend.

Deswegen tauchen derzeit reihenweis­e neue, junge Frauen in der Regierungs­kommunikat­ion auf. So wurde die nur 22jährige Zsófia Rácz als stellvertr­etende Staatssekr­etärin für Jugend installier­t. Sie postet Videos auf Facebook, duzt dabei jeden, und jeder darf ihr Fragen stellen.

Ob das junge, urbane, grün gesinnte Wähler überzeugen kann, bleibt dahingeste­llt.

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AFP Orbán lobt eigene Arbeit in den Himmel
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