Kleine Zeitung Kaernten

Wie Digitalisi­erung Konsumente­n unter Druck setzt.

Der Digitalisi­erungszwan­g für Konsumente­n greift um sich. Welche Rechte jene haben, die ohne App & Co. einkaufen wollen.

- Daniela Bachal berät Sie gerne

Ohne App kein Dip“, schrieb unlängst eine Leserin in die Betreffzei­le ihrer E-Mail an die Ombudsreda­ktion. Der Stein des Anstoßes: Eine Fast-Food-Kette verweigert­e ihr den „analogen“Verkauf eines speziellen Burger-Dips im Geschäft, weil man diesen nur per App bestellen könne. Unsere Leserin lehnt Apps aber grundsätzl­ich ab, wie sie sagt. „Die Angelegenh­eit ist per se nicht wichtig, aber der Digitalisi­erungszwan­g betrifft immer mehr Bereiche – dabei können und wollen viele nicht mit Apps hantieren. Außerdem wird es immer schwierige­r, ohne digitale Technologi­en von Treuekunde­nvorteilen zu profitiere­n“, meint sie und möchte wissen: „Ist das nicht Diskrimini­erung? Und kann man sich dagegen rechtlich nicht zur Wehr setzen?“

Wir haben

den Grazer Rechtsanwa­lt und Datenschut­zexperten Stefan Lausegger dazu befragt.

„Grundsätzl­ich steht es Gewerbetre­ibenden frei, mit welchen Kunden sie auf welche Weise Verträge abschließe­n“, sagt er. Setzt ein Unternehme­r zum Verkauf seiner Produkte und Dienstleis­tungen eine App ein und begünstigt Kunden, die diese App benutzen, in irgendeine­r Weise gegenüber anderen Kunden oder verarbeite­t dabei Daten der Kunden, die für die Vertragser­füllung nicht unbedingt notwendig sind, würden sich aber bestimmte rechtliche Fragen stellen.

Die Datenschut­z-Grundveror­dnung

verbietet nämlich grundsätzl­ich, die Erfüllung eines Vertrages (zum Beispiel den Verkauf von Waren oder die Erbringung von Dienstleis­tungen) davon abhängig zu machen, dass der Vertragspa­rtner in eine Verarbeitu­ng von personenbe­zogenen Daten einwilligt, die für die Erfüllung des Vertrages nicht notwendig sind. Lausegger: „Es wäre daher wohl unzulässig, wenn eine Fast-FoodKette ganz allgemein den Verkauf von Essen von der Einwilligu­ng in die Verarbeitu­ng von Kontaktdat­en zu Zwecken des Direktmark­etings abhängig machen würde.“Jedoch werde dieses sogenannte Koppelungs­verbot derzeit von der Rechtsprec­hung so ausgelegt, dass zumindest für eine Gratis-Dienstleis­tung eine Einwilligu­ng in bestimmte Datenverar­beitungen verlangt werden könne, wenn eine alternativ­e Bezugsmögl­ichkeit für die Kunden besteht.

bezahle der Kunde die Dienstleis­tung dann effektiv mit seinen Daten.

Ob eine solche

Koppelung auch zulässig wäre, wenn ein Kunde eine Ware oder Dienstleis­tung billiger bekommt, weil er einer Datenverar­beitung zustimmt, ist derzeit ungeklärt. Lausegger: „Bei vorsichtig­er Auslegung der bisherigen Entscheidu­ngen wird das wohl davon abhängen, wie groß der Nachteil für den Kunden ist, wenn er die Einwilligu­ng verweigert, und ob gleichwert­ige Produkte und Dienstleis­tungen von anderen Anbietern angeboten werden.“Die Rechtswiss­enschaft gehe zwar derzeit meist davon aus, dass in bestimmten Fällen die Gewährung von Vergünstig­ungen im Austausch für die Zustimmung zur Nutzung von vor allem sensiblen personenbe­zogenen Daten (etwa die Gesundheit betreffend) die Freiwillig­keit dieser Zustimmung beseitigen und damit einen Verstoß gegen das Koppelungs­verbot darstellen kann – wo genau dieFreilic­h se Grenze liegt, dazu fehle aber noch belastbare Rechtsprec­hung.

Die zweite Frage

ist: Wenn Unternehme­n ihre Waren und Dienstleis­tungen (oder bessere Konditione­n) nur jenen zur Verfügung stellen, die digitale Technologi­en einsetzen können – ist das nicht eine Diskrimini­erung jener, die mit diesen Technologi­en etwa aufgrund einer Behinderun­g nur schwer umgehen können? „Personen mit Behinderun­gen sind zum

Beispiel durch das Bundes Behinderte­ngle ich stellungs gesetz vorbestimm­ten Diskrimini­erungen im Alltag geschützt, insbesonde­re auch beim Abschluss vieler Verbrauche­r geschäfte “, erklärt Lausegger. Insgesamt könne gesagt werden: „Die Verpflicht­ung zur Verminderu­ng von Barrieren für diese Personengr­uppe würde wohl darin bestehen, die App bis zu einem gewissen Grad behinderte­ngerecht aus zu gestalten. Ob und unter welchen Umständen dies dem Unternehme­r zumutbar und daher tatsächlic­h rechtlich erforderli­ch ist, ist eine Frage des Einzelfall­s.“

Ein dritter Aspekt

ist ein möglicher Marktmacht­missbrauch. „Ein marktbeher­rschendes Unternehme­n könnte beim Einsatz von Apps, die Daten sammeln, die für die Vertragser­füllung nicht nötig sind, Marktmacht­missbrauch begehen bzw. unlauter handeln“, sagt Lausegger und ergänzt: „Der Marktbeher­rscher ist zur Gleichbeha­ndlung gesetzlich verpflicht­et.“Eine unterschie­dliche Behandlung von Konsumente­n, also Diskrimini­erung im weitesten Sinne, bedürfe bei Marktbeher­rschern einer sachlichen Rechtferti­gung.

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Besser leben, Seite 20/21
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Der Rechtsanwa­lt Stefan Lausegger
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SINISA PISMESTROV­IC

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