Wahlboykott im repressiven Kleriker-Staat
Im Iran gewannen die Hardliner – doch es war eine Wahl ohne Wähler. Zukunftsfragen ungelöst.
Gott und die Welt hatte Revolutionsführer Ali Chamenei beschworen, um das Volk an die Wahlurnen zu treiben. Dies sei die religiöse Pflicht jedes Iraners, deklamierte er. Seine Landsleute ließ das kalt. Millionen boykottierten die Abstimmung über das kommende Parlament, verweigerten dem Regime die Akklamation der zuvor vom Wächterrat handverlesenen Riege der Hardliner, die nahezu überall unter sich waren.
Die meisten Reformer und Moderaten waren vorab von dem zwölfköpfigen, ultraorthodoxen Altmännergremium disqualifiziert worden, selbst für die an brachialen Machtakten reiche Geschichte der Islamischen Republik ein beispielloser Vorgang.
Kein Wunder, dass die Konservativen gestern mit mehr als 220 von 290 Wahlkreisen einen Sieg auf der ganzen Linie ausriefen. Die vom Innenministerium am Samstag inoffiziell eingestandene Mini-Beteiligung von unter 20 Prozent dokterte das Regime nach langem Gezerre hinter den Kulissen am späteren Sonntag noch auf 42,6 Prozent hoch.
Fundamentale Zukunftsfragen sind ungelöst. Diese korrupte Parlamentswahl jedoch wird das politische Klima im Inneren und die Abschottung nach außen erneut verschärfen. Präsident Hassan Rohani, dem Protagonisten einer Entspannungspolitik, stehen ohnmächtige letzten Amtsmonate bevor.
Doch auch die Hardliner zahlen für ihren manipulierten Machtzuwachs einen hohen Preis. Der Wahlboykott der Iraner geriet unversehens zu einem massiven Referendum gegen den repressiven Kleriker-Staat. Das frustrierte Volk wird weiter rebellieren. Ob die Kraft des ChomeiniGottesstaates noch bis zu einem 50. Jahrestag reicht, wird angesichts der Probleme immer fraglicher.