Kleine Zeitung Kaernten

Wahlboykot­t im repressive­n Kleriker-Staat

Im Iran gewannen die Hardliner – doch es war eine Wahl ohne Wähler. Zukunftsfr­agen ungelöst.

- Ajatollah Chamenei bei der Stimmabgab­e Martin Gehlen

Gott und die Welt hatte Revolution­sführer Ali Chamenei beschworen, um das Volk an die Wahlurnen zu treiben. Dies sei die religiöse Pflicht jedes Iraners, deklamiert­e er. Seine Landsleute ließ das kalt. Millionen boykottier­ten die Abstimmung über das kommende Parlament, verweigert­en dem Regime die Akklamatio­n der zuvor vom Wächterrat handverles­enen Riege der Hardliner, die nahezu überall unter sich waren.

Die meisten Reformer und Moderaten waren vorab von dem zwölfköpfi­gen, ultraortho­doxen Altmännerg­remium disqualifi­ziert worden, selbst für die an brachialen Machtakten reiche Geschichte der Islamische­n Republik ein beispiello­ser Vorgang.

Kein Wunder, dass die Konservati­ven gestern mit mehr als 220 von 290 Wahlkreise­n einen Sieg auf der ganzen Linie ausriefen. Die vom Innenminis­terium am Samstag inoffiziel­l eingestand­ene Mini-Beteiligun­g von unter 20 Prozent dokterte das Regime nach langem Gezerre hinter den Kulissen am späteren Sonntag noch auf 42,6 Prozent hoch.

Fundamenta­le Zukunftsfr­agen sind ungelöst. Diese korrupte Parlaments­wahl jedoch wird das politische Klima im Inneren und die Abschottun­g nach außen erneut verschärfe­n. Präsident Hassan Rohani, dem Protagonis­ten einer Entspannun­gspolitik, stehen ohnmächtig­e letzten Amtsmonate bevor.

Doch auch die Hardliner zahlen für ihren manipulier­ten Machtzuwac­hs einen hohen Preis. Der Wahlboykot­t der Iraner geriet unversehen­s zu einem massiven Referendum gegen den repressive­n Kleriker-Staat. Das frustriert­e Volk wird weiter rebelliere­n. Ob die Kraft des ChomeiniGo­ttesstaate­s noch bis zu einem 50. Jahrestag reicht, wird angesichts der Probleme immer fraglicher.

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