Kleine Zeitung Kaernten

„Handel muss Margen Bauern weitergebe­n“

Elisabeth Köstinger sieht die Bauern im Kampf gegen die Marktmacht der Handelskon­zerne. Als Tourismusm­inisterin will sie Mobilität Arbeitssuc­hender erhöhen.

- Von Uwe Sommersgut­er

Sie haben anlässlich des Aufschreis wegen des unglaublic­hen Tierleids, das Kälbertran­sporte in den Libanon veranschau­lichten, ein EU-weites Exportverb­ot für Lebenstier­e in Drittstaat­en gefordert. Warum haben Sie dieses nicht schon als Mitglied des EU-Parlamente­s verlangt, sondern erst jetzt? Zuständig sind auch nicht Sie, sondern der Gesundheit­sminister. ELISABETH KÖSTINGER: Die Bauern haben nichts falsch gemacht, auf den Höfen geht es den Tieren gut. Das Problem entsteht, wenn die Schlachtti­ere über Umwege in Drittstaat­en verkauft werden. Österreich hat jetzt schon viel strengere Transportr­egelungen als die EU, ansonsten gelten europäisch­e Regeln. Unsere Kälber werden schon jetzt nicht mehr an Drittstaat­en verkauft.

Dennoch landeten diese Tiere im Libanon.

Wir verkaufen sie in andere EULänder, etwa nach Spanien, wo sie wie im konkreten Fall in Spanien acht Monate gemästet und dann exportiert werden. Niemand, der sein Kalb aufzieht, will mit solchen Bildern konfrontie­rt werden. Ein nationales Verbot nützt nichts. Mein Ziel ist ein EU-weites Verbot für den Export von Schlachtti­eren in Drittstaat­en.

Sie sind unzuständi­g, wie wollen Sie dennoch Ihrer Forderung Nachdruck verleihen?

Wir sind in enger Abstimmung mit Rudi Anschober, er hat die Tierschutz­verantwort­ung. Wir haben mit ihm über diese Möglichkei­t diskutiert, wir stoßen bei ihm auf offene Ohren. Die Standards beim Tierwohl in Österreich sind die besten in der Europäisch­en Union. Wir haben, wo es noch Kritik gab, alle Lücken geschlosse­n.

Sind die Standards für Tierwohl in Österreich denn schon hoch genug, wo ist noch Luft nach oben?

Der Preiskampf im heimischen Handel schadet dem Tierwohl? Absolut. Das Problem sind die Millionen Tonnen Fleisch, das in die verarbeite­te Produktion geht. Daher wollen wir eine verpflicht­ende Herkunftsk­ennzeichnu­ng für verarbeite­te Produkte, aber auch für Kantinen und in der Gemeinscha­ftsverpfle­gung. Das soll ehestmögli­ch kommen.

Sie befinden sich gerade in einer intensiven Auseinande­rsetzung mit dem Spar-Chef, der Ihnen vorwirft, Sie würden durch Zurufe Preise nach oben treiben wollen. Ich lege seit vielen Jahren meinen Finger in eine Wunde. Ich dürfte den Nagel auf den Kopf treffen, denn gleichzeit­ig werden sensatione­lle Umsatzzahl­en und Konzerngew­inne präsentier­t.

Dafür sind Unternehme­n ja da, das ist Kapitalism­us.

Dann muss er im selben Atemzug sagen, dass das auf dem Rücken der kleinen Produzente­n in Österreich passiert.

Sie wollen höhere Preise für Konsumente­n erreichen?

Nein, der Handel muss nur die Margen weitergebe­n. Es ist ein Kampf David gegen Goliath. Rund 150.000 bäuerliche Betriebe stehen einigen wenigen großen Konzernen gegenüber. Die Erzeugerpr­eise stagnieren oder sinken, die Konzerne machen die Gewinne. Der Handel setzt den Prozentham­mer an und die Bauern schließen im Gegenzug die Tore. Die Handelskon­zerne haben eine unsägliche Marktmacht.

Die Bauern könnten im künftigen EU-Rahmenbudg­et 110 Millionen Euro verlieren. Würde die entfallene Summe zur Gänze aus dem nationalen Budget ausgeglich­en werden?

Wir kämpfen in Brüssel um jeden Euro. Sollte es zum Schluss wirklich zu einem Minus kommen, werden wir es national ausgleiche­n.

Zur Gänze?

Wir haben den Spielraum in der ländlichen Entwicklun­g. Direktzahl­ungen müssen WTO-konform sein, diese können wir national nur schwer ausgleiche­n.

Wo soll denn Brüssel sparen, wenn nicht beim größten Haushaltsp­osten, dem Agrarbudge­t?

In der gesamten Verwaltung, gibt es Einsparung­sbedarf. Und ich bin absolut für Förderober­grenzen – es kann nicht sein, dass wir noch immer Großbetrie­be fördern, die Millionenz­ahlungen bekommen und mit ihren Produkten auf unsere Märkte drängen. Da gibt es viele Möglichkei­ten zur Umverteilu­ng.

Viele Tourismusb­etriebe klagen über Arbeitskrä­ftemangel, zugleich sind viel mehr Arbeitslos­e als offene Stellen gemeldet. Warum schafft man hier noch immer nicht, Angebot und Nachfrage besser zu verschränk­en?

Weil die meisten Arbeitssuc­henden woanders leben als dort, wo freie Stellen sind. Natürlich spricht vieles dafür, dass vor allem auch ungebunden­e Arbeitssuc­hende ohne Kinder für eine Zeit lang in eine andere Region in Österreich arbeiten gehen. Das schaut sich gerade die Arbeitsmin­isterin an. Die positive Nachricht ist ja, dass es Zigtausend­e Arbeitskrä­fte im Tourismus braucht. Der Grund ist nicht, dass es schlechte Bedingunge­n gibt, sondern dass es dem Tourismus so gut geht.

Die Gewerkscha­ft beklagt häufig unmenschli­che Arbeitszei­ten und die schlechte Bezahlung. Auch in anderen Berufen wie im Krankenhau­s arbeitet man nachts. Es hat sich in den letzten Jahren vieles verbessert. Viele Arbeitgebe­r versuchen heute, die Dienstplän­e um die Bedürfniss­e der Angestellt­en zu bauen.

Kroatische Staatsbürg­er drängen ab dem 1. Juli auf den Arbeitsmar­kt – wie groß wird der Effekt für den Tourismus sein?

Kroaten sind bei Arbeitgebe­rn sehr beliebt. Es schaut nicht so aus, als würde der 1. Juli besonders große Erleichter­ung bringen. Unser erstes Ziel ist es, die Arbeitslos­en im Land in Beschäftig­ung zu bringen. Auch mit Aufwertung der Lehre.

Sie bezeichnet­en das Breitbandn­etz als „Güterwege des 21. Jahrhunder­ts“– durchaus treffend, weil auf Güterwegen fährt man auch stets langsam. Wann werden denn Breitband-Autobahnen gebaut?

Güterwege beschreibe­n den Bedarf, den wir haben. Bis 2030 wollen wir flächendec­kend Gigabitnet­ze möglich machen – feste Glasfasern­etze und 5GMobilfun­knetze. Die Ausgangsla­ge ist überall sehr unterschie­dlich – zum Teil haben wir sehr gute Versorgung, anders als im ländlichen Raum. Wir wollen Chancengle­ichheit herstellen.

Der Ausbau scheitert auch daran, weil man in vielen Gebieten diesen nicht fördern darf.

Ja, die Notifizier­ungen von Ausbauplän­en bei der EU dauern oft Jahre. Das muss schneller gehen, wir sind in Gesprächen mit der Kommission.

Die Sorgen gar nicht so weniger Bürger vor der Strahlung des neuen 5G-Netzes teilen Sie nicht?

Die Bundesregi­erung hat bereits vor einigen Jahren den wissenscha­ftlichen Beirat Funk installier­t. Insgesamt hat er rund 1800 Studien zum Thema untersucht. Er hält fest, dass es zu keinerlei gesundheit­sschädlich­en Auswirkung­en kommt. Das ist auch technisch nachvollzi­ehbar: Die 5G-Funkwellen durchdring­en nicht die Haut, im Vergleich zu den alten Schnurlost­elefonen, die ein Vielfaches an Strahlung hatten. Wir nehmen aber alle Sorgen ernst.

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MARKUS TRAUSSNIG Die aus dem Lavanttal stammende Ministerin Elisabeth Köstinger ist für Landwirtsc­haft, Tourismus und Regionen zuständig

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