Opfer aus Kalkül
Strache setzt bei seiner Polit-Rückkehr auf eine der FPÖ ureigene Opfer-Inszenierung, Kritiker und Justiz kommen ihm dabei entgegen.
Heinz-Christian Strache ist gekommen, um zu bleiben. Wer daran in den 15 Jahren seiner politischen Karriere gezweifelt hat, wurde in den letzten zehn Monaten eines Besseren belehrt. Wir erinnern uns: Ein Video einer durchzechten Nacht in Ibiza sprengt die türkis-blaue Regierung, wenig später kostet eine Spesenaffäre die FPÖ die Nationalratswahl. Beide Male steht Strache im Auge des Orkans. Die Justiz ermittelt, er zieht sich aus der Politik zurück. Fünf Monate später verkündet er vor applaudierenden Anhängern seine Rückkehr.
Wie hat er das gemacht? Dass das Abtun von Ibiza als „bsoffene Gschicht“bei Fans funktioniert, war vorhersehbar. Aber bei horrenden Spesen, die womöglich unrechtmäßig verrechnet wurden, hört sich auch bei treuesten Wählerinnen und Wählern der Spaß auf. Doch der gewiefte Strache weiß, was zu tun ist – er dreht den Spieß um. Nicht seine Ibiza-Aussagen, die eine tiefe Abneigung gegen die Demokratie erkennen lassen, sind das Problem, sondern jene, die hinter dieser „Falle“stecken. Nicht die Spesen sind verwerflich, sondern das Handeln
christina.traar@kleinezeitung.at
jener, die sie veröffentlicht haben, um ihm zu schaden.
Diese Form der Opfer-Inszenierung zelebriert die FPÖ seit Jahrzehnten. Straches politischer Ziehvater, Jörg Haider, spielte besonders gekonnt auf dieser Klaviatur. Der von ihm plakatierte Slogan „Sie sind gegen ihn, weil er für Euch ist“zierte Jahre später auch Straches Wahlkampfsujet. Die Kritik aus Medien und anderen Parteien an dieser Inszenierung prallt daran nicht nur ab, sie befeuert die Erzählung zusätzlich. Man sei unter Beschuss, weil man für „den kleinen Mann“kämpfe. Logische Gegenargumente? Wirkungslos.
Und noch etwas spielt Strache in die Hände – die Mühlen der Justiz. Dass noch vor der Wahl die Ermittlungen gegen ihn abgeschlossen, eine Anklage erhoben und ein erstes Urteil gefällt ist, wird sich nicht ausgehen. Von einem rechtskräftigen ganz zu schweigen. Dank geltender Unschuldsvermutung kann er bis zur Wahl alle Vorwürfe von sich weisen.
Während Straches Anhänger seine Wiederauferstehung feiern, herrscht bei jener Partei, die er an die Wand gefahren hat, blankes Entsetzen. Parteichef Hofer ließ sogar bei seiner Aschermittwochsrede alle Hoffnung auf ein gutes Ergebnis bei der Wien-Wahl fahren. Die FPÖ verzweifelt am Umstand, dass sie für die Taten ihres ExChefs bezahlen muss, während dieser unbeschwert in ihren Gewässern fischt. Und jammert, dass man ihn verraten habe. ber Opfer gewinnen keine Wahl, das weiß auch Strache. Nun muss er sich vom Opfer zum Kämpfer inszenieren und die Spannung aufrechterhalten. Er weiß, dass nach der fixen Ankündigung seiner Kandidatur das Interesse der Öffentlichkeit rapide sinken wird. Mit einem neuen Listennamen, hochtrabenden Wahlversprechen und eventuell auch mit neuen FPÖ-Überläufern wird der Ex-Vizekanzler alles daransetzen, eines um jeden Preis zu verhindern – dass es still um ihn wird.
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