„Sterben ist eine sehr intime Sache“
Lesergedanken zum Kippen des Sterbehilfe-Verbots in Deutschland.
Leitartikel „Die Illusion vom guten Tod“und „Höchstgericht kippt Sterbehilfe-Verbot“, 27. 2.
Ich sei der optimistischste Depressive, den sie kenne, sagte meine Psychiaterin im Klinikum. Ich bin 81 Jahre alt, lebe allein und war die letzten zwanzig Jahre durch Krankheiten ziemlich behindert. Derzeit geht es mir relativ gut, aber ich weiß, dass es morgen schon anders sein kann und ich auf Hilfe anderer angewiesen wäre, was mir äußerst unangenehm wäre. Deshalb verfolge ich aufmerksam die Debatten um das Thema Sterbehilfe.
Ich hätte gerne ein paar Pillen zur Hand, um in Würde abzutreten, wenn ich finde, es reicht. Für Gläubige besteht ein Sterben in Würde darin, Krankheit und Tod anzunehmen. Als ob man da eine Wahl hätte. Aber ich lehne jedes Dahinsiechen mit Schmerzen radikal ab. Das hat mit Würde nichts mehr zu tun. Und ich will nicht gestört werden beim Sterben. Sterben ist eine sehr intime Sache.
Wie Gläubige darüber denken, die sich ein Jenseits erhoffen, will ich nicht beurteilen. Ein Drittel derer, die Todespillen zu Hause haben, nutzen sie gar nicht. Sie wollen nur die Kontrolle behalten, für den Ernstfall. Psychiater sagen, diese Patienten haben keine Angst, qualvoll allein zu sterben. Es ist umgekehrt: Sie haben Angst, andere sich zu viel um sie kümmern müssen!
Horst Dieter Sihler, Klagenfurt
Den Druck nehmen
Sie fahren gegen Bäume, in Lastwägen, nehmen Giftcocktails, erschießen sich, erhängen sich, springen in die Tiefe, geben sich den „goldenen Schuss“. Nur einige Beispiele, wie Prominente, Süchtige, Unglückliche, Kranke aus dem Leben scheiden, weil sie im Moment keine andere Lösung sehen. Wenn sich diese Menschen in Ruhe mit Angehörigen oder Freunden aussprechen können, Zeit haben, sich für einen späteren Zeitpunkt entscheiden zu können, ist der Druck nicht da, die momentane Gelegenheit nützen zu müssen.
Wir sind erzogen worden, unser Leben selbstbestimmt zu meistern. Soll es am Lebensende nicht erlaubt sein, sich für ein würdiges Sterben zu entscheiden? Ich hoffe, dass Österreich sich Deutschland zum Vorbild nimmt.
Waltraud Nobbe, Viktring
Höchste Zeit
Mit großer Genugtuung habe ich den Richterspruch aus Deutschland vernommen. Über 2000 Jahre hat es gedauert, bis man die Selbstbestimmung des Menschen auch in seinem Tod anerkennt! Ein Jahrtausendereignis, dem man sich nun auch im verkrusteten Österreich stellen muss. Ein sanftes Entschlafen soll nicht nur Prominenten und Reichen zur Verfügung stehen, sondern allen, die diesen Wunsch äußern! Denn die Zwei-Klassen-Gesellschaft hat längst auch hier Einzug gehalten. Es ist höchste Zeit für eine Änderung.
Gordon Kelz, Landskron
Herausforderung
„In vier Jahren bilanziert ÖGK ausgeglichen“, 22. 2.
Die SPÖ-Chefin und andere Oppositionelle werden nicht müde, über die Reform der Krankenkassen und die dafür nötigen Finanzmittel herzuziehen. Man hat noch keinen Vorschlag, wie man es besser machen könnte, gehört. Natürlich ist die gesamte Neuorganisation eine gewaltige Herausforderung. Folgender Vergleich ist sidass cher zulässig: Viele alte Straßen in einer Region sollen einem neu geplanten Verkehrsnetz weichen. Das bedeutet zunächst teure Baustellen, unfertige Fahrbahnen mit unerfreulichen Nebenerscheinungen. Nach Fertigstellung gibt es moderne, allen Anforderungen gerecht werdende Verkehrsverbindungen.
Die in der Politik unerfahrene, aber doch anerkannte Ärztin Rendi-Wagner wird wohl wissen, dass ein schwer kranker Patient erst nach erfolgreicher Behandlung die Vorteile der dafür aufgewendeten Kosten wird genießen können.
Reinhold Bugelnig, Flattach
Rücksichtnahme
„Strache tritt bei der Wien-Wahl an“, 27. 2.
Es fiel auf, dass bei den beiden getrennten Aschermittwochsitzungen der FPÖ und der DAÖ mit dem Hauptredner H. C. Strache, trotz der vorher gegenseitigen Vorwürfe, nun gegenseitige Rücksichtnahme geübt wurde. Nach dem Zitat von Helmuth Graf von Moltke aus der Schlacht bei Königgrätz – „Getrennt marschieren, vereint schlagen“– könnte sich im Sinne dieser alten Redensart bei der Wiener Wahl in einer solchen Art der Vorgehensweise Erfolg einstellen. So tut sich den Meinungsforschern, auch für die Zukunft, ein zusätzlich weites Feld an Spekulationen auf.
Hans Germ, Klagenfurt