„Uns kann nichts mehr erschüttern“
Wie Tom Herzog (50) seine ParkinsonErkrankung trotz Leistungssport meistert und wie Eisschnelllauf-Weltmeisterin Vanessa damit umgeht.
Ich muss funktionieren. 200 Tage im Jahr zählt nur Vanessa, da bleibt keine Kraft, zu versuchen, etwas zu verheimlichen.
Tom Herzog
Diagnose Parkinson, unheilbar, unberechenbar: Eine Schocknachricht, die Tom Herzog vor einem Jahr erhielt. „Meine Mama ist nach dem EM-Titel gestorben und kurz nach der Weltmeisterschaft in Inzell, wo Vanessa Gold holte, wurde bei mir diese Krankheit diagnostiziert. Mir wurde mitgeteilt, dass ich zwölf von 15 Hinweisindikatoren aufweise. In letzter Zeit hab ich einfach gemerkt, dass dieses Verbergen für mich zur Last wurde, und in meinem Job geht’s darum, dass ich mich zurückschrauben muss, da 200 Tage im Jahr nur Vanessa zählt. Ich muss funktionieren und da bleibt keine Kraft, zu versuchen, etwas zu verheimlichen“, erzählt Tom, der sich bewusst nicht mehr versteckt.
Die Problematik: „Die Nervenkrankheit ist unkalkulierbar. Ich bekam Probleme beim Schlucken, die Stimme wurde brüchig und die Beine zittern. Es ist in einem fortgeschrittenen Stadium, aber ich kann es derzeit kompensieren. Zuerst dachte ich mir, Diagnose erhalten, danke, keine Zeit dafür, weitermachen. Sogar die Ärzte haben mir vermittelt, dass es unglaublich ist, wie ich darauf reagiere. Und ich steh auch mit zittrigen Beinen noch auf Eis.“
Österreichs Sportlerin des Jahres
Vanessa Herzog zeigt sich nach dem erschreckenden Befund äußerst tapfer und versucht auf eine rührende und zugleich humoristische Art und Weise, mit der Tatsache umzugehen. „Wenn er stolpert, muss ich schmunzeln, aber das mein ich nicht bös. Es klingt hart, aber wir können die Diagnose nicht rückgängig machen. Bei Wettkämpfen lässt er sich nichts anmerken, weil es da um mich geht. Nur, wenn es ihm so schlecht geht, dass er mich nicht mehr betreuen kann, hör ich sofort auf. Da würde der Sport zur Nebensache werden, auch wenn wir das Ziel verfolgen, bis 2026 bei den Spielen in Cortina dabei zu sein“, würde
die 24-Jährige unumstößlich Prioritäten setzen.
Im Augenblick fühlt sich ihr Trainer und Ehemann „gut, die Medikamente, mit denen es am Anfang schlechter ging, nehme ich im Moment nicht mehr. Ich versuche, mich gesund zu ernähren, Sport zu treiben und den Gesamtzustand aktiv zu halten. Es geht mir besser als damals in Inzell, weil ich jetzt weiß, woran ich leide. Und eines ist auch klar, es wird sich nicht mehr bessern.“Der 50-Jährige verrät, dass ihn der tragische Unfall von seinem Schützling Kira Grünberg, die seit einem Trainingssturz querschnittsgelähmt ist, geprägt hat. „Sie ist so toll mit ihrer Situation umgegangen, dass ich mir geschworen hab, wenn etwas in der Art passiert, gibt’s keine Ausreden.“
Der Wechsel ins holländische Team Reggeborgh hatte somit einen schlüssigen Grund, „weil ich dachte, dass ich die Saison nicht schaffe. Das war unser Sicherheitspolster, nur hat es nicht so funktioniert wie geplant, da sie individuelle Betreuung durch mich braucht.“Dieses Thema beschäftigt die beiden laufend, doch von dem Wort Beeinträchtigung ist Vanessa weit entfernt: „Wir schaffen alles. Wenn es ihm nicht gut geht, bin ich für ihn da. Uns kann nichts erschüttern. Er ist keine Belastung.“Tom erwähnt im selben Atemzug, dass sie ihm permanent erklärt, dass er ihr alles gegeben hat und sie ohne ihn nie Weltmeisterin geworden wäre. „Wir sind so weit gekommen, wieso soll’s nicht weitergehen, Begleiterscheinungen hin oder her. Die Leute sprechen von Bewunderung, aber ich will anderen Mut machen und zeigen, dass man trotz Einschränkungen über sich hinauswachsen kann.“
Die Überlegung, die Saison vorzeitig zu beenden, schmiss das Duo schnell über Bord. „Nach Salt Lake war ich enttäuscht, inzwischen ist es abgehakt. Ich schau nach vorne. Auf den 500 Metern bin ich schnell, hab eine starke Beschleunigung, nur da es kraftraubend ist, geh ich am 1000er etwas ein. Da werd ich rumprobieren.“So startet die Wahl-Ferlacherin ab heute bei der Sprint-Vierkampf-WM in Norwegen. Auch hier kommt man am Coronavirus nicht vorbei. „Wir werden ständig und überall getestet. Das nimmt die Organisation ernst. Doch besser so als umgekehrt.“
Wenn es ihm so schlecht geht, dass er mich nicht mehr betreuen kann, hör ich auf. Da würde der Sport zur Nebensache werden.
Vanessa Herzog