Wiederkehr eines Verfemten
Noch vor ein paar Jahren galt Janez Janˇsa als politisch erledigt. Doch jetzt setzt Sloweniens umstrittenster Politiker zum Sprung ins Premiersamt an. Ein Porträt.
Hannibal vor den Toren“– lautete eine geflügelte Warnung vor drohender Gefahr im alten Rom. Mehr als 2200 Jahre später hat die Linke in Slowenien zwar kein Cannae erlitten, doch ist ihre Regierung zerfallen, und daher steht ihr politischer „Gottseibeiuns“, Janez Janˇsa, neuerlich davor, Ministerpräsident zu werden.
Noch ist nicht völlig sicher, ob Janˇsa nächste Woche tatsächlich vom Parlament in Laibach zum dritten Mal zum Regierungschef gewählt wird. Denn seine Vier-Parteien-Koalition verfügt im Parlament mit seinen 90 Sitzen nur über 47 Stimmen, die Abstimmung ist geheim und die Widerstände gegen das Bündnis mit Janˇsas SDS sind bei allen drei Koalitionspartnern beträchtlich. Gegen seine künftige Regierung wird heute in Laibach ein Bündnis gegen den „Hass“demonstrieren, nicht zum ersten Mal im politischen Leben des 61-jährigen Nationalkonservativen. Denn Janˇsa polarisiert in Slowenien wie weiland Jörg Haider in Österreich.
Doch Janˇsa verfügt über eine stabile treue Anhängerschaft, ist weder sprunghaft noch ein Mann, der gerne viele Interviews gibt – und wenn, vor allem Medien, denen er vertraut. Doch ebenso wie einst Haider ist auch er ein Mann starker Worte – vor allem auf Twitter; dort schrieb er über die Kundgebung gegen ihn: „Es gibt einen Clan von Kannibalen am Feuer; es brennt gut unter dem Kessel und man kocht einige Unglücksraben, während sie gleichzeitig inbrünstig über die Organisation der Kundgebung gegen den Kannibalismus diskutieren.“
Politische Korrektheit ist in Slowenien nicht sehr ausgeprägt; daher kann Janˇsa unbeschadet über die „entartete Linke“twittern und „Nieder mit den Parasiten!“fordern. Für seine Anhänger sind alle anderen Parteien ohnehin nur „Rote“. Janˇsas Führungsstil ist autoritär; außenpolitisch ist der ungarische Premier Viktor Orbán sein engster Partner. Diesem nahestehende Firmen sollen den Aufbau der Medien der Partei des „slowenischen Orbán“finanziell kräftig unterstützt haben. Diese Nähe schadete dem Slowenen bei Wahlen. So warnte der Politologe Vlado Miheljak vor einer „Orbánisierung“Sloweniens, sollte Janˇsa an die Macht kommen.
Aber die Machtverhältnisse in Slowenien und Ungarn sind völlig andere. Die SDS domi
niert das rechte Lager, scheiterte aber nicht nur einmal an der Regierungsbildung, da Janˇsa keine Koalitionspartner fand. Vor jeder Wahl ist die linke „Reichshälfte“in Slowenien auf der Suche nach einem „Anti-Janˇsa“, der mit Miro Cerar und Marjan Sˇarec zweimal gefunden wurde. Aber die Linke ist zersplittert, ihre Hoffnungsträger scheitern oft, so der Laibacher Bürgermeister Zoran Jankovic´. Er siegte bei der Parlamentswahl, schaffte es 2012 aber nicht, eine Koalition zu schmieden, und so wurde Janˇsa Ministerpräsident.
Aber im Gegensatz zu seiner ersten Amtszeit (2004–2008) dauerte Janˇsas zweite Periode nur von 2012 bis 2013. Überschattet war sie von der „Affäre Patria“, dem Ankauf von 135 Radpanzern in Finnland, bei dem Schmiergeld geflossen sein soll. Seit August 2011 wurde gegen den Regierungschef ermittelt, 2013 wurde er im Parlament abgewählt und zu einer zweijährigen Haftstraße verurteilt, die er am 20. Juni 2014 antrat. Doch Ende 2014 setzte der Verfassungsgerichtshof die Haft aus und hob im April 2015 das Urteil wegen grober Verfahrensmängel auf. Zur Neuauflage kam es wegen Verjährung nicht. Janˇsa sprach von einem politischen Prozess, auch europäische Volksparteien verurteilten das Verfahren. Auf der Webseite seiner Partei SDS steht über Janˇsa: „politischer Häftling in Jugoslawien 1989 und in Slowenien 2014“.
Der Politiker spielte eine wichtige Rolle bei der Unabhängigkeit des slowenischen Staates. Wird er nun wieder Ministerpräsident, so wird die Amtszeit etwa zwei Jahre dauern. Als Präsident Borut Pahor Janˇsa den Auftrag zur Regierungsbildung erteilte, forderte er Zusammenarbeit, Dialog, Geduld, keine schädlichen Äußerungen sowie die Achtung aller Grund- und Menschenrechte. In Gefahr sind sie in Slowenien mit oder ohne Janˇsa nicht, dazu ist die slowenische Gesellschaft viel zu pluralistisch und die Parteienlandschaft viel zu heterogen.