Kleine Zeitung Kaernten

Frankreich­s grüne Welle

Die Wahlen in Frankreich­s Städten und Gemeinden waren ein Desaster für Präsident Macron.

- Von unserer Korrespond­entin Martina Meister aus Paris

Die Aussagekra­ft von Kommunalwa­hlen ist in Europa seit jeher Ansichtssa­che. Regierungs­parteien, die auf dem flachen Land abgestraft werden, können die Ergebnisse als lokal begrenzt abtun. Die Opposition oder neue Kräfte, die Rathäuser erobern, dürfen sich das Recht nehmen, von einer Zeitenwend­e zu sprechen. Das Schauspiel wurde in Frankreich neu aufgeführt, die Ergebnisse sind aber eindeutig: Der Gewinner heißt nicht Emmanuel Macron. Siege feiern andere. Seine Regierungs­partei La République en Marche kann sich als stabile Kraft nicht etablieren. Bei den Stichwahle­n in Tausenden umkämpften Gemeinden ist es ihr nicht gelungen, nennenswer­te Erfolge zu feiern. Keine einzige der größeren Städte wird künftig von einem Parteigäng­er Macrons regiert. Über die Beteiligun­g von 40 Prozent, ein Rekord in Frankreich, zeigte sich selbst Macron „beunruhigt“. Auch wenn die Coronakris­e, wegen der die Stichwahl um Monate verschoben wurde, eine Erklärung liefert, gilt die Wahlverwei­gerung inzwischen als „erste Partei im Land“, wie es der Politologe Frédéric Dabi formuliert.

Vor allem der Ausgang in Paris ist ein Desaster für Macron. Die Hauptstadt bildete die wesentlich­e Basis seines Erfolgs. Nun hat eine mittelmäßi­ge Kandidatin und ExMinister­in, die bereits in der ersten Runde geschlagen war, aber auf ein Antreten in der zweiten Runde bestand, jämmerlich­e 13,3 Prozent erreicht. Die Siegerin – und Sozialisti­n – Anne Hidalgo hat vorgeführt, dass jede Politik, die ökologisch­e Aspekte nicht zum integralen Bestandtei­l macht, abgestraft wird. Hidalgo ist erfolgreic­h mit dem radikalen Umbau der Metropole, die nur noch von einer konservati­ven Minderheit als übertriebe­n D abgelehnt wird. afür rollt eine grüne Welle durch die Regionen. Die Großstädte Lyon, Straßburg, Bordeaux, Poitiers, Grenoble haben künftig grüne Bürgermeis­ter, die in Koalition mit linken Par

Mehrheiten erreichen konnten. Der Erfolg ist umso bemerkensw­erter, als ihnen in der Zeit des Lockdowns bereits ein Niedergang bescheinig­t wurde. Ob das Momentum Aussagekra­ft für nationale Wahlen entfalten kann, ist ungewiss. Der langjährig­e Europaabge­ordnete und grüne Spitzenkan­didat Yannick Jadot scheint sich auf eine Präsidents­chaftskand­idatur vorzuberei­ten, bräuchte aber die Unterstütz­ung aller linken Parteien. Ansätze zu einer solchen „gauche plurielle“hat es in den vorigen Jahrzehnte­n immer wieder gegeben, ohne dass daraus stabile Mehrheiten wurde.

Was den Grünen in den Städten gelang, schaffen die Konteien servativen, die sich inzwischen Republikan­er nennen, seit jeher in Kleinstädt­en und Dörfern. Sie haben über die Hälfte der Städte von mehr als 9000 Einwohnern gewonnen, aber alte Hochburgen wie Bordeaux verloren. Ein wichtiger symbolisch­er Sieg ist Premier Édouard Philippe in seiner Heimatstad­t Le Havre gelungen, wo er die zweite Runde mit überwältig­ender Mehrheit für sich entscheide­n konnte. Das könnte ihn in der von vielen vermuteten Absicht bestärken, in zwei Jahren als Präsidents­chaftskand­idat ins Rennen zu gehen. Der 49-Jährige erfreut sich höherer Beliebthei­tswerte als D Macron. ie Rechtsextr­emen des einstigen Front National, heute Rassemblem­ent National, haben landesweit ein eher mittelmäßi­ges bis schwaches Ergebnis erzielt, sonnen sich aber im Glanz von Perpignan. Das Ergebnis ist deshalb bedeutsam, weil Kandidaten der Liste von Macrons LREM zur Wahl von Louis Aliot, dem einstigen Lebensgefä­hrten Marine Le Pens, aufgerufen haben. Die in Frankreich sogenannte republikan­ische Front ist damit ausgerechn­et durch Zutun von Macrons Parteigäng­ern und Sympathisa­nten zerbrochen.

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APA Der Druck auf Macron wächst in den Städten von den Grünen, am Land von den Republikan­ern und vereinzelt von den Rechtsextr­emen
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