Kleine Zeitung Kaernten

380.000 Unterschri­ften für den Klimaschut­z. Und jetzt?

Das KlimaVolks­begehren und drei weitere müssen nun im Nationalra­t diskutiert werden. Ob sie ein Erfolg werden oder in die Schublade wandern, liegt bei der Politik.

- georg.renner@kleinezeit­ung.at Georg Renner

Seite 2/3, Leitartike­l Seite 9

Dreihunder­tachtzigta­usend Menschen also. So viele haben das Klimavolks­begehren unterzeich­net – das damit die erfolgreic­hste jener fünf Initiative­n ist, die gestern Abend zu Ende gegangen sind. Sind das viele, sind das wenige – gemessen an der epochalen Bedeutung der Klimafrage?

Schwer zu sagen. Kritiker werden einwenden, das seien weit weniger Unterstütz­er als zuletzt das Nichtrauch­er- und Frauenvolk­sbegehren gefunden haben. Sie werden feststelle­n, dass das insgesamt gerade einmal für einen Platz in den Top 20 der ewigen Volksbegeh­renHitlist­e reicht, irgendwo in der Gegend der „Bildungsin­itiative“2011. Und dass die Zahl nicht einmal die Hälfte jener ausmacht, die bei der letzten Nationalra­tswahl grün gewählt haben – und das trotz Themenkonj­unktur und durchaus wohlwollen­der medialer Begleitung.

Die Verteidige­r des Klimavolks­begehrens dagegen werden einwenden, dass angesichts der Corona-Krise und ihrer wirtschaft­lichen Verwüstung­en gerade ganz andere Themen präsenter und wichtiger erschienen sind. Sie werden argu

mentieren, dass gerade mit der grünen Regierungs­beteiligun­g nicht mehr so notwendig ist, per Volksbegeh­ren Druck zu machen. Und dass 380.000 Unterzeich­ner und das mediale Echo darauf bei einem jungen Organisato­renteam und einem abstrakten Thema ein klares Signal seien, dass das Bewusstsei­n in der Mitte der Gesellscha­ft angekommen ist.

Wie auch immer man zu dem Anliegen des Begehrens steht, das ambivalent­e Ergebnis zeigt Fluch und Segen, den österreich­ische Volksbegeh­ren stets mit sich tragen.

Politikwis­senschaftl­er Peter Filzmaier nennt den Platz, den das Volksbegeh­ren im System direkter Demokratie einnimmt, einen „wackeligen Kompromiss“: Bei weitem nicht so mächtig wie das „bottom up“Modell der Schweiz, wo jedermann mit einer Mehrheit ein Gesetz durchbring­en kann; aber auch bei weitem nicht so restriktiv wie das „top down“-System Großbritan­niens, wo das Parlament allein die Zügel in der Hand hält.

Mit dem Volksbegeh­ren kann jeder Österreich­er ein Thema auf die Agenda des Nationalra­ts bringen, wenn er 100.000 Unterschri­ften dafür sammelt. In der Praxis hat sich zudem herausgebi­ldet, dass die Zahl, um die ein Begehren die 100.000 übersteigt, als amtlich festgestel­lter Indikator dafür dient, wie wichtig das Thema der Bevölkerun­g ist.

Das kann oft bemerkensw­ert wenig unmittelba­ren Effekt haben, wenn zahlreiche Anliegen von der jeweils amtierende­n Koalition blitzschne­ll schubladis­iert werden. Aber auch im ersten Moment „erfolglose“Anliegen haben einen Wert: Sie zeigen der Politik auf, dass es da eine engagierte Masse gibt, die bereit ist, für ein Thema aufzustehe­n. Ein Wählerpote­nzial, das es abzuholen gilt. Und das – schau nach beim Rauchverbo­t – irgendwann dann doch gehoben wird. Oder aber fast 400.000 Stimmen, die verspielt, wer jetzt nicht die richtigen Maßnahmen setzt.

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