380.000 Unterschriften für den Klimaschutz. Und jetzt?
Das KlimaVolksbegehren und drei weitere müssen nun im Nationalrat diskutiert werden. Ob sie ein Erfolg werden oder in die Schublade wandern, liegt bei der Politik.
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Dreihundertachtzigtausend Menschen also. So viele haben das Klimavolksbegehren unterzeichnet – das damit die erfolgreichste jener fünf Initiativen ist, die gestern Abend zu Ende gegangen sind. Sind das viele, sind das wenige – gemessen an der epochalen Bedeutung der Klimafrage?
Schwer zu sagen. Kritiker werden einwenden, das seien weit weniger Unterstützer als zuletzt das Nichtraucher- und Frauenvolksbegehren gefunden haben. Sie werden feststellen, dass das insgesamt gerade einmal für einen Platz in den Top 20 der ewigen VolksbegehrenHitliste reicht, irgendwo in der Gegend der „Bildungsinitiative“2011. Und dass die Zahl nicht einmal die Hälfte jener ausmacht, die bei der letzten Nationalratswahl grün gewählt haben – und das trotz Themenkonjunktur und durchaus wohlwollender medialer Begleitung.
Die Verteidiger des Klimavolksbegehrens dagegen werden einwenden, dass angesichts der Corona-Krise und ihrer wirtschaftlichen Verwüstungen gerade ganz andere Themen präsenter und wichtiger erschienen sind. Sie werden argu
mentieren, dass gerade mit der grünen Regierungsbeteiligung nicht mehr so notwendig ist, per Volksbegehren Druck zu machen. Und dass 380.000 Unterzeichner und das mediale Echo darauf bei einem jungen Organisatorenteam und einem abstrakten Thema ein klares Signal seien, dass das Bewusstsein in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist.
Wie auch immer man zu dem Anliegen des Begehrens steht, das ambivalente Ergebnis zeigt Fluch und Segen, den österreichische Volksbegehren stets mit sich tragen.
Politikwissenschaftler Peter Filzmaier nennt den Platz, den das Volksbegehren im System direkter Demokratie einnimmt, einen „wackeligen Kompromiss“: Bei weitem nicht so mächtig wie das „bottom up“Modell der Schweiz, wo jedermann mit einer Mehrheit ein Gesetz durchbringen kann; aber auch bei weitem nicht so restriktiv wie das „top down“-System Großbritanniens, wo das Parlament allein die Zügel in der Hand hält.
Mit dem Volksbegehren kann jeder Österreicher ein Thema auf die Agenda des Nationalrats bringen, wenn er 100.000 Unterschriften dafür sammelt. In der Praxis hat sich zudem herausgebildet, dass die Zahl, um die ein Begehren die 100.000 übersteigt, als amtlich festgestellter Indikator dafür dient, wie wichtig das Thema der Bevölkerung ist.
Das kann oft bemerkenswert wenig unmittelbaren Effekt haben, wenn zahlreiche Anliegen von der jeweils amtierenden Koalition blitzschnell schubladisiert werden. Aber auch im ersten Moment „erfolglose“Anliegen haben einen Wert: Sie zeigen der Politik auf, dass es da eine engagierte Masse gibt, die bereit ist, für ein Thema aufzustehen. Ein Wählerpotenzial, das es abzuholen gilt. Und das – schau nach beim Rauchverbot – irgendwann dann doch gehoben wird. Oder aber fast 400.000 Stimmen, die verspielt, wer jetzt nicht die richtigen Maßnahmen setzt.