Kleine Zeitung Kaernten

Martin Pucher lässt seinen Anwalt sprechen: wie es zum Bankskanda­l kam und wohin die Millionen flossen.

Martin Pucher lässt seinen Anwalt über den Bankskanda­l sprechen: warum er es tat, mit wem – und was mit dem vielen Geld passierte.

- Von Hannes Gaisch-Faustmann ...

Erster Wiener Bezirk, Himmelpfor­tgasse. Die Kanzlei des Wirtschaft­sanwalts Norbert Wess befindet sich in einem gediegenen, an Sommertage­n angenehm kühlen Altbau. Wess ist Strafverte­idiger des gestürzten Martin Pucher, Hauptfigur im Skandal um eine Regionalba­nk, die seit Wochen Österreich beschäftig­t.

Martin Pucher ist nicht da – und dennoch omnipräsen­t.

„Er selbst möchte keine Interviews geben. Er weiß, dass dies als Affront gegenüber den Geschädigt­en empfunden würde“, sagt Wess. Außerdem lasse der Gesundheit­szustand des 64-Jährigen dies nicht zu – dazu später mehr. Auf die Frage, warum sein Mandant auf freiem Fuß sei, antwortet der Anwalt sehr bestimmt: „Es gibt für eine Haft keine rechtliche Grundlage und ich bin froh, dass sich die Staatsanwa­ltschaft im Rechtsrahm­en bewegt.“Pucher sei zu Hause in Hirm im Burgenland und werde von seiner Frau und den Töchtern versorgt. Bis jetzt wurde er zwei Mal einvernomm­en, mit seinem Anwalt steht er mehrwöchen­tlich in Kontakt. Wess spricht für Pucher über ...

... den Anfang: 1992, erinnert sich Pucher, habe er begonnen, Guthaben bei anderen Banken zu erfinden. „Das waren ein bis zwei Fälle in kleinem Ausmaß“, sagt Wess. Damals war Pucher 36 und noch bei Raiffeisen. Als Grund gibt er den hohen Ergebnisdr­uck der Bank an. Er habe eine Kollegin als Helferin gehabt, sie war damals erst 27. Sie sei, so Pucher, über die Jahre mit ihm einzige Ausführend­e gewesen, wobei die Initiative von ihm ausgegange­n sei. Wess: „Pucher hat sie allein deshalb gebraucht, da er mit einem Computer nicht umgehen kann.“Die Frau war ab 1997 Vorstandsm­itglied der Commerzial­bank (Cb), die sich 1995 vom Raiffeisen­sektor gelöst hatte. Nur sie und Pucher werden von der Staatsanwa­ltschaft als Beschuldig­te geführt, auch wenn die Ermittler bei anderen (ehemaligen) Mitarbeite­rn zu Hausdurchs­uchungen ausgerückt sind. Pucher, so Wess, beharre darauf, dass es keine weiteren Mittäter und Mitwisser gebe.

Prüfer und Aufsicht: Es ist in der Causa das Reizthema schlechthi­n, auch für Anwalt Wess. Die Bank wurde offenbar noch öfter geprüft als bekannt. „Von 1994 bis 1998 gab es drei Prüfungen durch die Nationalba­nk“, sagt er. Es folgten weitere 2015, 2017 und 2020. „Es stört mich, dass jede Institutio­n sagt, sie habe keine Chance gehabt, etwas zu entdecken. Das macht mir als Staatsbürg­er Sorgen, das müssen wir selbstkrit­isch betrachten und besser machen, sonst erleben wir das in fünf Jahren wieder“, warnt der Anwalt. Denn es sei „nicht besonmals ders schwierig gewesen, das Konstrukt so hochzuzieh­en“, sagt Wess mit Blick auf viele gefälschte Konten und Kredite. „Weder das eine noch das andere wurde genau geprüft.“So fordert Wess strukturel­le Verbesseru­ngen, beginnend bei der Zusammense­tzung der Aufsicht in der Bank. „Da hinein gehören Experten des Wirtschaft­sstrafrech­ts.“Im Fall der Cb waren es Freunde Puchers, ohne Kompetenz für die Funktion. 2015 dauerte eine Prüfung der Cb durch die OeNB von Mai bis September. Zugleich erhielt die Wirtschaft­sund Korruption­sstaats

anwaltscha­ft den Hinweis eines Whistleblo­wers. Weil die Finanzmark­taufsicht nichts fand, legte die Staatsanwa­ltschaft die Anzeige zurück. „So ein Hinweis ist auch dem Aufsichtsr­at zur Kenntnis zu bringen“, meint Wess. Er fordert außerdem, Wirtschaft­sprüfer vom Bankgeheim­nis zu befreien.

... den Verbleib des Geldes: Bis zu 700 Millionen Euro soll der Abgang aus der Bank betragen. Ab 2003, mit dem Aufstieg in die Bundesliga, floss Geld von der Bank in den SV Mattersbur­g. „Der Betrag liegt bei acht bis 15 Prozent der Summe“, sagt Wess für seinen Mandanten. Mindestens 50 bis 60 Prozent seien laut Pucher „verbrannt, indem wir die Bank derart am Leben hielten.“Da hinein fallen unter anderem Gehälter und Mieten für 25 bis 30 Jahre. Gewinn schrieb die Bank nie, de facto sei sie 2000 pleite gewesen. Die Steuern, die in all den Jahren aufgrund erfundener Gewinne gezahlt wurden, seien rückforder­bar, ist Wess überzeugt. Weitere Millionen flossen in notleidend­e Kredite, die weiter bedient worden seien. Pucher bestreitet, sich persönlich bereichert zu haben. Sein letztes Jahresgeha­lt aber betrug brutto fürstliche 350.000 Euro im Jahr.

Am 14. Juli um 12 Uhr – Prüfern der OeNB waren Unregelmäß­igkeiten bei zwei Krediten aufgefalle­n – legte Pucher persönlich die Fälschunge­n offen, erstattete Selbstanze­ige, legte Funktion und Bankschlüs­sel zurück. Zu Hause weihte er erstmals seine Familie ein, die bis dahin, davon ist Wess überzeugt, nichts gewusst habe. Puchers Tochter schrieb ein Mail an den Chef des Aufsichtsr­ates und dessen Stellvertr­eter, seine Ehefrau telefonier­te mit einer engen Freundin, einer Beamtin beim Land Burgenland. „Es wurde niemand gewarnt und es ist kein Geld mehr aus der Bank abgeflosse­n“, betont Wess.

... den Menschen Pucher: „Er bittet nicht um Verzeihung, er verzeiht es sich selbst nicht“, erklärt der Verteidige­r. Das Lügengebäu­de hat Pucher massiv belastet, 20 Jahre, sagt er, habe er nicht schlafen können. Am Anfang meinte er, aus dem Teufelskre­is der Fälschunge­n herauszuko­mmen, das Gegenteil war der Fall. Das Motiv? „Eine Form von Eitelkeit“, sagt Wess. Der SV Mattersbur­g sei die „schöne Welt“für ihn gewesen, „dort wurde er hofiert und geschätzt, das gefiel ihm“. 2015 – nach der Bankprüfun­g – erlitt Pucher zwei Schlaganfä­lle, von denen er sich bis heute nicht erholt hat. Der Mann, der zwei Jahre die Handelsaka­demie besucht und eine Banklehre absolviert hatte, war spätestens da auch gesundheit­lich nicht mehr in der Lage, eine Bank zu führen (wirtschaft­lich war er es nie). Er werde Pflegegeld beantragen.

Doch ist da auch diese Ambivalenz: „Mich erstaunt, wie viele Menschen Martin Pucher positiv sehen. Er sei ein Ehrenmann, ein g’rader Michl gewesen, freundlich und wertschätz­end – das sagen Leute, die ihn kannten“, schildert Wess.

Sein Mandant steht vor der Privatinso­lvenz, das Eigentum wird in die Konkursmas­se fließen. Mit dem Beginn des Strafproze­sses wegen Untreue und Bilanzfäls­chung rechnet Wess in vier Jahren. Strafrahme­n: zehn Jahre Haft. Es gilt die Unschuldsv­ermutung.

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Der Mattersbur­ger Martin Pucher, zu Hause in Hirm, wird in der Causa Commerzial­bank von Anwalt Norbert Wess vertreten
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FUCHS (2), GEPA, GAISCH-FAUSTMANN
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