Söders Eigentor
Der bayerische Ministerpräsident surft in der Coronakrise auf einer Welle des Erfolgs. Doch seine Strategie entpuppt sich als fehlerhaft. Und bringt ihn nun unter Druck.
Es ist erst wenige Tage her, da war Markus Söder gefühlt schon deutscher Bundeskanzler im Jahr 2021. Tatsächlich schwamm der bayerische Ministerpräsident als Krisenmanager in der Coronakrise wochenlang auf einer Popularitätswelle, die erstaunlicherweise nicht einmal am Weißwurst-Äquator haltzumachen schien, wie es früher bei CSU-Chefs der Fall war. Selbst viele Nordlichter sahen bisher keine echte Alternative zum 53jährigen Macher aus Nürnberg für die Nachfolge von Angela Merkel. Weder in der CDU noch in der CSU.
Doch Söders unaufhörlicher Tatendrang brachte ihn nun selbst in die Bredouille. Denn er war es, der die Coronatests an bayerischen Grenzen sowie an Flughäfen und Hauptbahnhöfen für Reiserückkehrer forciert hat. Bayern wolle einen Dienst für ganz Deutschland leisten, so formulierte er es und forderte andere Bundesländer auf, es gleichzutun. Er war es auch, der ständig vor der Gefahr der Urlaubsmitbringsel warnte, leichtfertige Lockerungen in anderen Bundesländern kritisierte und seinen Mahnungen
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immer zügig Taten im eigenen Beritt folgen ließ. Selbst Ausbrüche in niederbayerischen Landwirtschaftsbetrieben trotz eines strengen Corona-Regiments vor Tagen konnten den Höhenflug nicht bremsen.
Doch der aktuelle Fall ist mehr als nur eine peinliche Panne. Rund 85.000 Tests wurden bei Rückkehrern seit dem 25. Juli gemacht, doch 44.000 Menschen haben tagelang kein Ergebnis erhalten, darunter 900 nachweislich mit Sars-CoV-2 Infizierte. Dabei sieht es nicht nur nach Schlamperei, sondern nach strukturellem Versagen aus. Der Verdacht: planungsloser Aktionismus. Nach Aussage der Staatsregierung in München soll es auf jeden Fall Übertragungsprobleme gegeben haben. Doch das Bayerische Rote Kreuz, das die Teststationen betreut, weist die Alleinschuld zurück. Das Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit habe sich nicht in der Lage gesehen, in so kurzer Zeit eine entsprechende Software zur Verfügung zu stellen. Reisende mussten Formulare händisch ausfüllen, zum Teil mit Bleistift, was die Sache problematisch machte. Das Rote Kreuz sei vom Freistaat beauftragt worden, innerhalb eines Tages fünf Stationen in Betrieb zu nehmen, heißt es aus der Organisation. Dazu war die Hotline des Landesamtes überlastet. ayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml äußerte sich kleinlaut. Immer größer wird das Chaos, das Söders Regierung offensichtlich zu verantworten hat. Der Kanzlerkronprinz gerät unter Druck. Bisher kritisiert nur die Opposition das Versagen in München, rechnet gnadenlos mit Söder ab. Doch das Schweigen der Kontrahenten aus dem eigenen Lager ist vielsagend. Söder wollte eigentlich gestern an die Nordsee fahren und dort mit CDU-Ministerpräsident Daniel Günther schöne Bilder und Nähe in der Ferne erzeugen. Das fällt nun ins Wasser. Der Nimbus vom fehlerlosen Krisenmanager bröckelt auf einen Schlag.
B