Ein schon traditionelles Sittenbild von Ferrari
Sebastian Vettel bekommt ein neues Chassis für Spanien. Aber hat Ferrari wirklich Interesse an einer Steigerung des Deutschen?
Sebastian Vettel war bei den letzten Rennen chancenlos, kämpfte mit einem Auto, das auf keinerlei Änderungen zu reagieren schien. Jetzt bekommt er immerhin für Barcelona ein neues Chassis. Beim alten habe man einen kleinen Fehler gefunden. „Nach dem vergangenen Rennen in Silverstone haben wir einen kleinen Schaden entdeckt, der wohl durch einen harten Randsteinkontakt hervorgerufen wurde“, sagte der zuständige ChefIngenieur Simone Resta.
Die grundsätzliche Frage bleibt: Wie groß ist das Interesse von Ferrari überhaupt noch, Vettel eine faire Chance zu geben? Fahrer, von denen man sich trennt, die man nach eigenem Verständnis nicht mehr braucht, schlecht zu behandeln, Intrigen und Politik, das ist schon fast Tradition bei dem italienischen Team, noch aus den Zeiten von Enzo Ferrari. Niki Lauda etwa verzieh dem „Commendatore“nie, dass der nach Laudas Nürburgring-Unfall 1976 sofort Carlos Reutemann als Ersatzfahrer verpflichtete – und dann in Monza beim großen Comeback des Österreichers auch noch in einem dritten Auto einsetzte.
Selbst Michael Schumacher wurde in seinem Abschiedsjahr 2006, nach fünf WM-Titeln für die Scuderia, mit der gnadenlosen Ferrari-Politik konfrontiert – auch wenn das nach außen nicht so auffiel. Schumacher konnte sich damals über einige Zeit nicht wirklich entscheiden, ob er aufhören oder doch noch ein Jahr anhängen sollte. Ferrari wartete nicht ab, sondern machte schnell einen Vertrag mit Kimi Räikkönen. Nachdem man den zweiten Fahrer, Felipe Massa, nicht loswerden konnte oder wollte, da der wie jetzt Charles Leclerc von Nicolas Todt, dem Sohn des damaligen Ferrari-Teamchefs und jetzigen FIA-Präsidenten Jean Todt, gemanagt wurde, legte man Schumacher einen Rücktritt nahe, sodass alle ihr Gesicht wahren konnten.
Der Mann, der 2014 eine wichtige Rolle dabei spielte, Vettel als Nachfolger von Alonso zu Ferrari zu holen, traut sich heute jedenfalls nicht mehr zu, zu beurteilen, was im Moment im Team vor sich geht. Luca di Montezemolo, über Jahrzehnte als Teamchef, Ferrari-Chef und graue Eminenz eine Schlüsselfigur, sagte kürzlich in einem RTLInterview, er könne sich nicht festlegen, ob Vettel bewusst benachteiligt wird. „Ich weiß wirklich nicht, wie alles zurzeit gehandhabt wird.“Er hoffe zwar, dass beide Fahrer gleich behandelt würden, und sehe keinen Grund, es anders zu halten, aber er wisse es eben nicht, weil er schon zu weit draußen sei.