Die Gefahr, alles auf eine Karte zu setzen
Marc Marquez wird wohl bis zu den Rennen in Misano (13. und 20. September) pausieren müssen. Die WM ist für ihn und Honda abgefahren. In Spielberg fährt Stefan Bradl.
Die Fangemeinde staunte nicht schlecht, als sich Marc Marquez drei Tage nach der Operation des Oberarmbruchs, den er sich beim Sturz beim WM-Auftakt in Jerez zugezogen hatte, wieder auf die Werks-Honda quälte und beim GP von Andalusien versuchte, das Unmögliche möglich zu machen. Vom Außerirdischen wurde berichtet, vom Super-Hero, der schmerzbefreit zu sein scheint.
Es gibt nur wenige Stars der Szene, die noch halbwegs gerade gehen, viele humpeln durchs Fahrerlager. Und letztlich musste auch Marc Marquez einsehen, dass eine Platte im Oberarm doch anders wirkt als eine im Schlüsselbein. Seine Kräfte ließen nach wenigen Runden nach, die OP-Wunde war entzündet, die mit zwölf Schrauben verankerte Titanplatte im rechten Oberarm hatte sich verbogen. Und Marquez musste gleich noch einmal unters Messer, um eine neue Platte einsetzen zu lassen. Schließlich hörte der spanische Weltmeister doch auf seinen Körper und beendete die Operation „BlitzComeback“. Das Verheilen eines Oberarmbruchs dauert im Normalfall sechs Wochen, mindestens. Und zu einer Pause dieser Länge haben ihm auch alle Ärzte geraten.
Auf alle Fälle wurde das übereilte Comeback sehr schnell kritisiert. Auch die Ärzte wurden gerügt, zu eifrig in ihrer Beurteilung gewesen zu sein. Sogar das Honda-Werksteam nahm vor allem die Streckenärzte ins
Kreuzfeuer, obwohl die nur zu beurteilen haben, ob es sicher genug ist, wenn ein verletzter Fahrer an einem GP teilnimmt.
Für Honda rächt sich nun aber die Tatsache, dass es über Jahre alles auf Marc Marquez gesetzt hat. Im Gegensatz zu KTM wurde keine Nachwuchsförderung betrieben, keine Fahrer aufgebaut, die genug Qualität haben, um Ausfälle zu ersetzen. Wie zum Beispiel Ducati, das Iannone, Petrucci, Miller und zuletzt einen Bagnaia heranzog. KTM, das auf Fahrer wie Brad Binder oder Miguel Oliveira vertraute.
Über Jahre hinweg hat das Honda-System aber auch so
funktioniert. Schon allein deshalb, weil Marc Marquez mit seinem Können und seiner Fähigkeit, über die Grenzen zu gehen, alle Schwachpunkte der RC21 überspielte. Da reichten ein Dani Pedrosa oder ein Cal Crutchlow an der Seite von Marquez aus – ebenso wie das wohlwollende Engagement von Bruder Alex Marquez, der noch hinter den Erwartungen zurückbleibt.
Heute, mit einem Weltmeister im Krankenbett, sieht Honda ganz, ganz schlecht aus. Marquez hält bei 0 Punkten (WM-Leader Quartararo hat 59), Honda ist in der Marken-WM nur Vierter, 43
Punkte hinter Yamaha. In der WM kann es für Marc Marquez heuer maximal für ein paar Siege reichen, der WM-Zug scheint abgefahren. Mit der Rückkehr des Honda-Superstars rechnet man erst in Misano Mitte September – dann aber erstmals mit Zuschauern, nach aktuellem Stand, 10.000 sollen es sein.
In Spielberg wird Marquez bei Honda von Stefan Bradl ersetzt. Die Ziele: niedrig. „In die Punkteränge kommen“, hofft der Deutsche bescheiden.
Fallen ist erlaubt, wieder aufstehen aber eine Verpflichtung.
Marc Marquez