Kleine Zeitung Kaernten

„Zustände hier sind absolut verheerend“

Klaus Schwertner, Geschäftsf­ührender Direktor der Caritas Erzdiözese Wien, schildert die Situation auf Lesbos: Wenig habe sich nach Moria zum Positiven verändert, Regen verschlimm­erte die Lage.

- Von Thomas Golser

Herr Schwertner, Sie sind Geschäftsf­ührender Direktor der Caritas der Erzdiözese Wien und derzeit mit Katastroph­enhelferin Daniela Pamminger auf Lesbos. Wie ist die Lage?

KLAUS SCHWERTNER: Absolut verheerend und besorgnise­rregend. Nach dem Brand von Moria vor einem Monat hieß es von offizielle­r Seite noch: Jetzt wird alles anders. Jetzt sehen wir: An den Bedingunge­n, unter denen Tausende Menschen – 40 Prozent von ihnen sind Kinder – hier leben, hat sich wenig zum Positiven verändert. Diese Woche führten heftige Unwetter mit Starkregen und Sturm erneut dazu, dass viele Zelte weggeblase­n wurden und unter Wasser standen. Die Menschen haben bis zuletzt versucht, Sandsäcke zu füllen und Dämme zu errichten. Wie es hier in wenigen Wochen aussehen wird, wenn der Winter Einzug hält, ist völlig offen. Es ist ein Wettlauf gegen die Zeit. An einer Sofortevak­uierung der Lager auf den Inseln führt kein Weg vorbei, denn auch auf Samos und Chios ist die Lage für geflüchtet­e Menschen äußerst prekär und menschenun­würdig. Andernfall­s ist die nächste Katastroph­e bereits vorprogram­miert. Die gute Nachricht: Alle Staats- und Regierungs­chefs guten Willens können diese Katastroph­e verhindern. Es ist ja keine Frage des Könnens, sondern des Wollens.

Werden die zuletzt abgefackel­ten Lager wieder fest errichtet – sehr, diese Einsicht setzt sich jetzt durch – in Athen und Brüssel, aber auch in Wien.

Moria, eine Katastroph­e mit Anlauf: Gibt es derzeit Gewalt?

Nein, die Menschen sind zwar verzweifel­t, aber die Sicherheit­slage ist aktuell stabil. Die Polizeiprä­senz im neuen Camp wurde massiv verstärkt. Die Konsequenz kann nicht sein, Tausende Menschen wegen einer Verzweiflu­ngstat einiger weniger (aktuell sind fünf Personen wegen des Verdachts der Brandstift­ung in Untersuchu­ngshaft, Anmerkung) unter Generalver­dacht zu stellen.

Wie leistet Europa Hilfe?

Die Hilfe, die geleistet wird, ist wichtig, doch: Es werden Symptome bekämpft, nicht die Ursachen. Europa hat schon 2016 ein Umsiedlung­sprogramm gestartet, bei dem Geflüchtet­e aus Griechenla­nd in EU-Staaten gebracht wurden. Anders als von vielen behauptet, hatte dies keinen Anstieg der Neuankünft­e und auch nicht der Toten im Mittelmeer zur Folge. Ein ähnliches Programm wäre auch heute nötig. Die Bundesregi­erung sollte Hilfe in jenen Orten in Österreich möglich machen, die sich bereit erklärt haben, eine überschaub­are Anzahl an Familien und Kindern bei sich aufzunehme­n. Es ist schon richtig: „Wir können nicht alle retten!“Niemanden zu retten, sollte aus der Sicht Österreich­s mit seiner langen humanitäre­n Tradition jedenfalls keine Option sein.

Was können Sie über den Verbleib der Hilfsliefe­rungen aus Österreich sagen? Wo steckt dieser Transport fest – und warum?

Es war gut, dass Österreich rasch mehr finanziell­e Mittel für Griechenla­nd, aber auch für den Auslandska­tastrophen­fonds insgesamt bereitgest­ellt hat. Was die Hilfsliefe­rung der Bundesregi­erung anbelangt: Laut Medienberi­chten kamen diese Hilfsgüter bislang noch nicht zum Einsatz. 55 Tonnen Decken, Planen und Hygienepak­ete lagern offenbar noch in einer Halle bei Athen. Warum das so ist, wissen wir nicht.

Wie verhalten sich die griechisch­en Behörden derzeit? Positiv ist anzumerken, dass die Asylverfah­ren rascher abgewickel­t werden. Anfang des Jahres waren noch rund 40.000 Gefe

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Klaus Schwertner mit der Katastroph­enhelferin Daniela Pamminger

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