Kleine Zeitung Kaernten

Ausländer – fast überall!

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DArnold Mettnitzer,

as vielleicht nachhaltig­ste Motto meiner Feste als Jugendseel­sorger in Kärnten lautete: „Jeder Mensch ist Ausländer – fast überall!“Ein besorgter Zeitgenoss­e fragte mich damals, wohin wir denn kämen, wenn überall nur noch Ausländer wären! Ich weiß nicht mehr, was ich ihm darauf geantworte­t habe, vielleicht, dass ein Mensch durch nichts mehr zu berühren ist als dadurch, in einem anderen Menschen „eine Seele von Mensch“zu finden. Und dass wir durch nichts mehr zu erschütter­n sind als durch die Erfahrung des Gegenteils. Schon die griechisch­e Antike beschimpft denjenigen, der sich der Gemeinscha­ft verweigert, als „idiotes“, weil er sich für den anderen nur interessie­rt, solange ihm dieser nützlich erscheint. Ein daraus wachsendes Klima erklärt sich aus der Verwechslu­ng von Liebe und Nützlichke­it. Weil Menschen erschaffen wurden, um geliebt zu werden, und

Dinge erschaffen wurden, um gebraucht zu werden, liegt für den Dalai Lama der Grund für das menschlich­e Chaos in der Welt darin, dass „Dinge geliebt und Menschen gebraucht“werden. Wer sich aber im Kraftfeld seiner persönlich­en Beziehunge­n umsieht, wird in allen seinen Freundinne­n und Freunden vormals Fremde erkennen und den Reichtum seiner Lebensgesc­hichte in vielen Beziehungs­geschichte­n finden. Der/die/das Fremde wurde nicht als Bedrohung, sondern als geschenkte Chance erlebt. Unverhofft oft ist dabei der Ausländer zum Nachbarn, der Fremde zum Freund und das Bundesamt für Fremdenwes­en zur Asylstätte menschlich­er Not geworden! In jedem Fall sollte kein Mensch einem anderen so fremd bleiben, dass er in ihm nicht einen Menschen erkennen könnte! Oder, um es mit Karl Valentin zu sagen: „Fremd ist der Fremde nur in der Fremde.“

25. OKTOBER 2020

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Theologe und Psychother­apeut

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