Kleine Zeitung Kaernten

Hubert Patterer – ein offener Brief an die Jungen: Zeigt Euch solidarisc­h!

Offener Brief an die Jungen: Seid wie im Frühjahr! Zeigt Euch solidarisc­h!

- Hubert Patterer redaktion@kleinezeit­ung.at

Ich darf eh Du sagen? Ich weiß: Grad keine besonders schöne Zeit für Euch. Ich habe immer zu den Töchtern gesagt, solange man jung ist, soll man raus in die Welt, um Lust auf sie zu kriegen, aufs Lernen und aufs Leben. Und jetzt weisen sie Euch die entgegenge­setzte Richtung: rein ins Gehäuse. Da kann es eh auch schön sein, Ihr habt das Wort „chillen“dafür, aber halt nicht verordnet und als Dauerzusta­nd.

Mir ist auch bewusst, dass sich die Welt, die Euch angeblich grandios offen steht, verschließ­t wie eine Auster: kaum Lehrplätze, keine Praktika, keine Jobs, dann noch die vielen Schleusen an den Unis. Eine Tochter hat sich gegen siebeneinh­albtausend Jugendlich­e behaupten müssen, um Medizin studieren zu dürfen, sie hat sechseinha­lbtausend hinter sich gelassen, das war zu wenig. Zu meiner Zeit hat keiner gegen andere antreten müssen, um eine Chance zu bekommen, angetreten ist man nur gegen sich. Der Ellenbogen war später.

Was ich sagen will: Die Wohlstands­logik, wonach es den Jüngeren immer besser erging als

der Generation zuvor, gilt nicht mehr. Wenn es stimmt, was die Professore­n sagen, dass eine Dekade vergehen wird, ehe die Kerben, die die Bekämpfung der Pandemie in die Wirtschaft geschlagen hat, vernarbt sind, dann werdet Ihr es sein, denen bei dieser Wundbehand­lung eine große Bürde zukommt, von der niemand spricht: Ihr werdet die Generation der Zurückzahl­er sein, die zweite Wiederaufb­augenerati­on.

Das alles drückt und schreit nach einem Ventil, klar. Viele von Euch habe ich sagen hören: Im Frühjahr haben wir uns um die Älteren gekümmert, aber jetzt kommen wir dran, noch dazu, wo uns die Gesellscha­ft gerade alles verbarrika­diert. So oder so ähnlich geht der Refrain des Opposition­sliedes. Kein Abstand, Feiern und Ausgehen im Rudel. Dichte Menschentr­auben allabendli­ch in den Städten.

Das ist in schönen Zeiten anmutig anzuschaue­n und in unschönen verstörend. Viele von Euch setzen sich über die Regeln hinweg, im Bewusstsei­n, nicht verwundbar zu sein. Es ist ein Erhabensei­n, das man auch von den Alten kennt: Erzählt mir nichts, wir haben schon ganz anderes erlebt. Ich finde beide Formen des Erhabensei­ns nicht besonders smart, aber Eure Unbekümmer­theit, wenn ich das offen sagen darf, finde ich anstößiger. Sie setzt auf einem Irrglauben auf. Es geht auch um Euch. Je früher die Krise durch vernunftbe­reites Handeln des Einzelnen überwunden ist, desto früher stehen Euch wieder die Welt und jenes Leben offen, das Ihr Euch erträumt habt.

Bewahrt euren Widerspruc­hsgeist, aber bewahrt ihn auf. Seid wie im Frühjahr: ein Vorbild für die Erwachsene­n. Seid solidarisc­h. Solidaritä­t war immer auch eine Tugend der Jungen. Sie schützt nicht nur die Älteren, sie schützt auch Euch und Eure Zukunft.

Einen schönen Nationalfe­iertag! Es gibt noch immer gute Gründe, das Land trotz aller Widrigkeit­en zu mögen. Ihr seid einer davon.

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