„Die nächsten Monate werden ein Kraftakt“
Die Feierlichkeiten zum Nationalfeiertag, die heuer ohne Publikum stattfanden, standen ganz im Zeichen der Corona-Pandemie. Abends sprach der Bundespräsident.
Es waren ungewöhnliche Bilder, die der ORF da seinem Publikum am Vormittag des 26. Oktober vorsetzte. Luftaufnahmen des Heldenplatzes zeigten gähnende Leere. Auf einem kleinen Podest, das einst für den Papstbesuch benutzt worden war, hatte man Sessel für ein paar Regierungsmitglieder und den Bundespräsidenten aufgestellt. Eine größere Plattform fasste elf Rekruten und eine Rekrutin, die stellvertretend für Hunderte Kolleginnen und Kollegen den Eid ablegen sollten. Die Feier musste wegen der Coronakrise stark redimensioniert werden.
Den Anfang machte Bundespräsident Alexander Van der Bellen. Von seinem Amtssitz in der Hofburg ging er zum Heldentor, um dort einen Kranz niederzulegen. Dasselbe traditionelle Ritual wiederholte Bundeskanzler Sebastian Kurz in Begleitung von Vizekanzler Werner Kogler und Verteidigungsministerin Claudia Tanner wenig später.
Was fehlte, waren das schwere Gerät und die Hubschrauber, die sonst an diesem Tag zur Besichtigung auf den Heldenplatz gebracht werden. Vor allem aber fehlte das Publikum, das eigens errichtete Zäune daran hinderte, den Platz zu betreten. Wegen der Corona-Pandemie musste die gesamte Feier ins Fernsehen verlegt werden. Später sollte ein Streit über Einschaltquoten entbrennen. Es könne noch keine geben, ließ der ORF wissen, nachdem das Verteidigungsministerium von bis zu 250.000 Zusehern geschrieben hatte.
Der Überflug von drei Abfangjägern und vier Saab 105 wurde Opfer der Witterungsbedingungen. Die Jets kündigten sich zwar mit mächtigem Getöse an, blieben aber sowohl auf dem Platz als auch im Fernsehen unsichtbar. Der Grund war die dichte Wolkendecke, die die Veranstalter nicht bedacht hatten.
Bundeskanzler Sebastian Kurz nutzte die Gelegenheit, eindringlich davor zu warnen, das Coronavirus auf die leichte Schulter zu nehmen. „Ich weiß, diese Krise verlangt uns allen viel ab“, sagte er. Viele Menschen seien „erschöpft, wollen von Corona nichts mehr hören und können einfach nicht mehr“. Ihm gehe es genauso, sagte Kurz, er verstehe das. „Auch ich möchte keine Maske tragen müssen, keine Einschränkungen erdulden und Feste feiern, wenn es mir danach ist.“Als Regierungschef sei es aber nicht seine Aufgabe, zu sagen, was manche hören wollen. „Daher muss ich Ihnen leider sagen: Wir werden noch viele Monate mit dem Virus leben müssen. Wir werden durchhalten müssen, bis ein Impfstoff uns eine Rückkehr zur Normalität möglich macht“, sagte Kurz. „Die nächsten Monate werden ein Kraftakt für uns alle werden.“Dies sei „eine der härtesten Herausforderungen seit dem Zweiten Weltkrieg“.
Abends wandte sich Bundespräsident Alexander Van der Bellen, der schon am Heldenplatz kurz gesprochen hatte, im Fernsehen an die Bevölkerung. „Diese Pandemie geht uns allen ordentlich auf die Nerven“, sagte Van der Bellen. „Sie ist eine Belastung für uns alle.“Man werde sich aber nicht unterkriegen lassen, sondern gemeinsam die Pandemie bewältigen.
„Wut und Angst sind schlechte Ratgeber“, sagte Van der Bellen. „Sie vernebeln unser Denken und leiten unser Handeln in falsche Richtungen. Wie wäre es, wenn wir die Wut einfach sein lassen würden?“Von der Regierung forderte der Bundespräsident bessere, klare und verständliche Kommunikation ein.
Der Bundespräsident sprach die Hoffnung aus, dass Europa nach anfänglichen Schwierigkeiten wieder stärker zueinanderfinden werde. Als Indiz dafür nannte er die Bereitschaft der Mitgliedsstaaten, ein 750-Milliarden-Euro-Paket zu schnüren.