Kleine Zeitung Kaernten

Der Mutmacher

Lange hat Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen nichts von sich hören lassen. Nun nutzte er den Nationalfe­iertag dazu, ein paar wichtige Dinge zu formuliere­n.

- Thomas Götz

Die Dosierung von Worten ist eine hohe Kunst. Ein Bundespräs­ident muss sie beherrsche­n, sonst hört ihm bald keiner mehr zu. Viel mehr als Worte stehen ihm nicht zu Gebot. Der Oberbefehl über das Heer, der gestern wieder einmal in militärisc­hen Ritualen zum Ausdruck kam, ist ja kaum in reale Macht zu übertragen.

Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen hat eine längere Pause eingelegt, nichts mehr zum alles dominieren­den Thema gesagt. Das erhöht die Wirkung der Worte, mit denen er zum Nationalfe­iertag Mut machen und ein paar Botschafte­n anbringen wollte. Nicht nur angenehme.

Ein guter Redner beginnt damit, seinen Zuhörern Verständni­s entgegenzu­bringen. „Diese Pandemie geht uns allen ordentlich auf die Nerven“, sagte er im unnachahml­ichen Vander-Bellen-Ton, der immer einen Schuss Ironie und Leichtigke­it in die schwergewi­chtige Botschaft rührt. Das erhöht die Verträglic­hkeit. Menschlich­e Grundbedür­fnisse nach Gemeinscha­ft, Vertrauen, Sicherheit und Nähe stünden auf dem Spiel, sagte er. Aber, und hier

thomas.goetz@kleinezeit­ung.at

unterschei­det sich Van der Bellen von jenen Mahnern, die gestern durch die Wiener Innenstadt zogen, nicht die Maßnahmen gefährden die Erfüllung dieser Bedürfniss­e, sondern eine „weltweite Pandemie“. Das mag selbstvers­tändlich klingen, ist es aber offenbar nicht.

Wer kann gemeint sein mit der Mahnung, die Krise sei nur mit „rechtzeiti­ger, verständli­cher, nachvollzi­ehbarer Kommunikat­ion“zu bewältigen? Das Durcheinan­der der letzten Tage, die Publikatio­n widersprüc­hlicher Infektions­zahlen und die hektische Verschiebu­ng des Termins für das Inkrafttre­ten einer wichtigen Verordnung zur Verschärfu­ng der CoronaMaßn­ahmen weisen in die richtige Richtung. Die Bundesregi­erung gefährdet mit dissonante­r Kommunikat­ion gerade ihr wichtigste­s Instrument für das Management der Krise: das Vertrauen der Bevölkerun­g.

„Es ist unübersehb­ar, dass gerade viel Wut entsteht“, beobachtet der Redner. „Wut und Angst sind keine guten Ratgeber“, sagt er und fügt einen Rat an, der leicht gesagt, aber schwer befolgt ist. „Wie wäre es, wenn wir die Wut einfach sein lassen würden?“Wir sollten zur Kenntnis nehmen, „dass diese Pandemie nicht die Absicht von irgendjema­ndem ist“. Gerade das aber schürt Wut und befeuert die Suche nach Schuldigen, von der Van der Bellen dringend abrät. Es wäre keine präsidenti­elle Rede, würde sie nicht zur Mäßigung aufrufen. „Versuchen wir, geduldig miteinande­r zu sein. Und mit uns selber.“istig und tröstlich zugleich wirkt der rhetorisch­e Trick, unsere Gegenwart aus der Perspektiv­e der Zukunft zu betrachten. Dann, so meinte Van der Bellen, sollten wir sagen können: „Wir haben niemals, auch in der schwierigs­ten Zeit nicht, unsere Vernunft, unser Mitgefühl, unsere Gemeinscha­ft vergessen.“Auf die sei unsere wunderschö­ne Heimat schließlic­h gebaut, endet der Präsident zuversicht­lich. Dafür brauchen wir ihn.

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