Unter Beschuss
Auf Gesundheitsminister Anschober prasselt Kritik ein, am schärfsten schießt der eigene Koalitionspartner. Dabei wäre gerade in Krisenzeiten eine Waffenruhe angebracht.
So dürfte sich das Rudolf Anschober nicht vorgestellt haben, als er bei seiner Angelobung als grüner Gesundheitsminister im Jänner die Hand von Bundespräsident Alexander Van der Bellen – damals tat man das noch – geschüttelt hatte. Niemand konnte damals ahnen, dass dank Corona ausgerechnet sein Ressort in die vorderste Reihe katapultiert werden würde. Doch der Platz im Scheinwerferlicht brachte statt Ruhm und Ehre den Minister unter Beschuss.
Dieser Tage kommen die Einschläge näher. Die Länder melden Überforderung bei der Rückverfolgung der CoronaAnsteckungsketten, Verdachtsfälle klagen über tagelanges Warten auf Test und Ergebnis. Und mit Franz Allerberger, Infektiologe der staatlichen Gesundheitsagentur Ages, widerspricht einer von Anschobers zentralen Beamten im Radio der Diktion des Ministers. Er zeigte sich davon überzeugt, wir alle würden das Virus irgendwann bekommen. Ernste Lage? Fehlanzeige.
Nun hat auch noch der Koalitionspartner ÖVP das Feuer eröffnet. Dort werden die hohen
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Beliebtheitswerte des grünen Ministers seit jeher mit Argwohn beäugt, Konsequenz daraus war bisher aber eher noble Zurückhaltung, wenn es um die Verteidigung der Anschober’schen Maßnahmen ging. Nun gehen die Türkisen jedoch zum Angriff über. Doch statt auf eine direkte Attacke durch den Kanzler setzt man auf Störfeuer aus der zweiten Reihe.
So ritt Tourismusministerin Elisabeth Köstinger aus, um ein „Freitesten“für Kontaktpersonen aus der Quarantäne zu fordern. Gleiches tat auch Bildungsminister Heinz Faßmann, der selbiges für Lehrerinnen und Lehrer nach fünf Tagen gefordert hatte. Anschober winkte energisch ab, er werde in Zeiten explodierender Infektionszahlen „kein erhöhtes Risiko eingehen“.
Viel Zeit zum Verschnaufen blieb nicht, wenig später legte der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer nach. Er forderte mehr Kontrollmöglichkeiten für die Polizei im Privatbereich, um Corona-Partys zu unterbinden. Just das, was Anschober seit Beginn der Pandemie immer vehement abgelehnt hatte. Er vertraue weiterhin auf die Vernunft der Menschen, sich auch so an die Regeln zu halten, beteuert er. Und versucht, weiteren Kugeln auszuweichen. abei verlangt gerade eine Krise wie diese nach einer Waffenruhe. Dass das möglich ist, hat der Frühling gezeigt, als die Regierungsparteien nicht nur miteinander, sondern auch mit der Opposition an einem Strang zogen. Das bedeutet nicht, dass Anschobers Handeln nicht kritisch hinterfragt werden soll und muss, er selbst räumt immer wieder Fehler ein. Doch wenn die Menschen den Eindruck haben, dass die politische Führung mehr auf gegenseitiges öffentliches Widersprechen fokussiert als auf die Bewältigung der Krise, werden jene, die Angst und Missgunst schüren, sich die Hände reiben. Denn sie sind es, die von türkis-grünen Kriegen profitieren.
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