Sie werfen für Punkte und Anerkennung
Behindertensport ist Leistungssport – so das Motto der Carinthian Broncos. Die Rollstuhlbasketballer spielen in der ersten heimischen Liga.
Alles geht sehr schnell. Lukas Fiedler schreit, macht lautstark auf sich aufmerksam. Neun Blicke sind auf ihn gerichtet, einer davon gehört dem späteren Angreifer. Wenige Sekunden später beginnt das Duell. Eisen kracht auf Eisen. Obwohl die Lage aussichtslos erscheint, schafft der 27-Jährige, sich Luft zu verschaffen. Und den Ball im Korb zu versenken. „Habe ich zu viel versprochen“, lacht Fiedler. „Ich sagte doch, dass Rollstuhlbasketball ziemlich ruppig sein kann.“Seit 13 Jahren übt der an der Gelenksteife AMC leidende Villacher diese Sportart aus. Fast ebenso lange ist er für die Carinthian Broncos im Einsatz.
„Um der am häufigsten gestellten Frage zuvorzukommen: Die Körbe haben die gleiche Höhe wie in der NBA“, erklärt Vereinsobmann Manfred Kartnig, während er über das Spielfeld der Trainingshalle in Welzenegg blickt. Zwei Mal wöchentlich trifft sich die Mannschaft, um an Schnelligkeit, Technik und Taktik zu arbeiten. Schließlich soll der Erfolgslauf der letzten Jahre fortgesetzt werden. „Da haben wir in der slowenischen Liga immer den ersten Platz erreicht“, erzählt der Obmann. Die Suche nach neuen Herausforderungen, hat die Truppe zu Jahresbeginn wieder in die höchste österreichische Spielklasse zurückgeführt. Ein Start nach Plan war den Broncos nicht vergönnt, die Corona-Pandemie funkte dazwischen. Nach sechs Monaten Pause startete das Team im September wieder in den Trainingsalltag, im November beginnt die verkürzte Meisterschaft. „Dort soll vor jedem Spiel ein Corona-Test gemacht werden“, verrät Kartnig. Am wichtigsten sei jedoch, dass weitergespielt werden könnte.
Aber nicht mehr an diesem Abend. Das Training ist beendet und die Spieler rollen vom Feld, um die Sportrollstühle gegen ihre Alltagsgeräte umzutauschen. Während er sich von einem Rollstuhlsitz auf den anderen hebt, erzählt der Vereinsobmann, dass gerade das Sportgerät für viele eine Hürde beim Einstieg in die Sportart darstellen würde. „Dieser Rollstuhl kostet 7000 Euro. Leider denken die Leute oft, dass sie einen solchen besitzen müssen, um beim Training mitzumachen.“Ein Vorurteil, denn der Verein würde Neulingen ihr Sportgerät kostenlos zu Verfügung stellen.
Vor 20 Jahre hat der 54-jährige Villacher den Basketballer in sich entdeckt. Damals wurde er bei seiner Arbeit als Automechaniker von einem Lkw überrollt. „Ich sollte ihn reparieren, aber er hat – nun ja, man sieht es.“Im Verlauf seines RehaAufenthalts hätte er zum Sport gefunden. „Nach dem Unfall fällt man in ein Loch und je länger jemand da unten bleibt, des
to schwieriger kommt er wieder rauf.“Deshalb sei der Behindertensport so wichtig und jeder Betroffene herzlich willkommen. „Das Zusammensein mit Gleichgesinnten hilft, sich neu zu orientieren.“
Dieses Zusammensein ist im Zuge der Pandemie ein anderes geworden. Nach dem Training geht es direkt nach Hause. Dabei sticht eine Person hervor: Trainer Mersad Mehmedovic verlässt aufrecht gehend die Halle. Nein, er habe keine Behinderung, bestätigt der 44-Jährige. Die Spielregeln würden einen Unversehrten pro Mannschaft erlauben. „Es mag komisch wirken, dass sich ein Gesunder in einen Rollstuhl setzt. Aber was wir hier machen, ist keine Beschäftigungstherapie, sondern Leistungssport.“Ein wenig abseits der Gebäudetür steht Lukas Fiedler und wartet. Aber das tun eigentlich alle Rollstuhlbasketballer. Sie warten, dass ihre Sportart endlich, als das wahrgenommen wird, was sie ist: Spitzensport.