Friedlich umzingelt
Ob neutral oder Nato-Mitglied: Die Fragen an unsere Länder ähneln sich.
Das österreichische Bundesheer macht international einen guten Eindruck. Das liegt nicht nur daran, dass die Garde in der Hofburg die Akkreditierung von Botschaftern aus aller Welt beim Bundespräsidenten mit einer sehr würdevollen Parade flankiert. Österreichs Streitkräfte leisten auf der ganzen Welt einen überproportional hohen Beitrag an friedenssichernden Maßnahmen; derzeit sind fast 900 Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz.
Kürzlich las ich eine Umfrage über die Einstellung der Österreicher zu ihren Streitkräften. Ein paar Zahlen fielen besonders auf: 74 Prozent der Befragten wünschten sich bewaffneten Beistand der EU-Partner, falls Österreich angegriffen würde. Allerdings wären nur 30 Prozent bereit, ihrerseits bedrängten Partnern militärisch beizustehen.
V ermutlich würden die Zahlen in Deutschland so anders nicht ausfallen, aber sie weisen dennoch auf einen wichtigen Unterschied zwischen unseren Ländern hin. In den Debatten zum Nationalfeiertag war zu spüren, wie wichtig den Österreichern die Neutralität ist. Die Frage, wie damit die Sicherheit zu sichern ist, war allerdings nie trivial und wird es nie sein.
Seit 1955 gaben wir Deutsche auf diese Frage eine andere Antwort, indem wir der Nato beitraten. Zu den eindrücklichsten Erfahrungen meines Wehrdienstes in den 80ern gehört es, wie entlang dem Eisernen Vorhang Soldaten aus Belgien, den Niederlanden und den USA mit uns (West-)Deutschen ins Manöver gingen. Vor drei Jahren besuchte ich in Litauen ein deutsches Panzerbataillon, das gemeinsam mit Truppen aus Tschechien die Ostgrenze der Nato im Baltikum sicherte.
A llerdings kritisieren die USA und manche andere Partner uns Deutsche, wir würden zu wenig Geld für die Verteidigung des Bündnisses aufwenden; der Vorwurf der Trittbrettfahrerei ist uns auch nicht unbekannt. Neutralität hier, Nato dort – Deutsche und Österreicher eint die Zurückhaltung bei der Anwendung militärischer Gewalt.
Aus historischen Gründen ist das gut so. Beide Völker würden gerne mit möglichst wenigen Waffen Frieden und Freiheit sichern. Dazu kommt eine geografische Ähnlichkeit: Deutschland und Österreich sind von Freunden umzingelt.
D as macht es in beiden Ländern schwerer zu verstehen, wozu es Verteidigung braucht. Aber reicht das in einer zunehmend unsicheren Welt? Vielleicht sollten wir beide noch mehr auf unsere Partner hören, die weniger friedliche Nachbarn haben.
ist seit 2019 deutscher Botschafter in Österreich. In einem früheren Leben war er Journalist.