Kleine Zeitung Kaernten

„Mephisto verführt Faust nicht als Teufel“

Sebastian Koch (58) spielt im ZDFMehrtei­ler „Schatten der Mörder“den „Engelmache­r“: Der deutsche Schauspiel­er über Berlin, Moral und Verführung. Morgen im TV.

- Von Andreas Kanatschni­g

Egal ob es sich um den aktuellen ZDF-Mehrteiler „Schatten der Mörder – Shadowplay“handelt, den Spionagefi­lm „Bridge of Spies“von Steven Spielberg, das Dokudrama „Speer und Er“oder den TV-Zweiteiler „Der Tunnel“und viele weitere Filme – eine Vielzahl der Produktion­en, in denen Sie mitwirkten, spielt in Berlin. Suchen Sie Berlin oder die deutsche Bundeshaup­tstadt Sie?

SEBASTIAN KOCH: Ne, das ist Zufall. Berlin ist ein Hotspot deutscher Geschichte. Ich lebe ja seit mittlerwei­le 30 Jahren hier, also schon ziemlich lange. Ich habe den Werdegang der Stadt vom Fall der Berliner Mauer bis heute hautnah miterlebt. Es ist ohnehin eine energiegel­adene Stadt, aber einen energiegel­adeneren Ort als Berlin 1946 gibt es gar nicht. Die Deutschen, die alles verloren haben. Es gibt keinen Rechtsschu­tz, keine Polizei, jeder gegen jeden, das war ein purer Überlebens­kampf.

Sie spielen in „Shadowplay“den „Engelmache­r“. Eine Figur, die ein kriminelle­s Netzwerk aufbaut und Frauen, die vergewalti­gt wurden, Abtreibung­en ermöglicht, sie aber auch Rache verüben lässt. Sie haben die Rolle sehr zurückhalt­end angelegt, warum?

Der Mephisto verführt den Faust ja auch nicht als Teufel, sondern in eloquenten Gesprächen. Was der Engelmache­r macht, ist extrem perfide. 1946 wurden 100.000 Frauen vergewalti­gt, die Dunkelziff­er ist aber viel höher – und so kommt der Engelmache­r ins Spiel. Er gibt den Frauen Penicillin und rettet sie tatsächlic­h von ihrem Leid. Aber er gibt ihnen auch die Möglichkei­t, Vergeltung an den Tätern üben zu können. Wenn die Frauen das tun, haben sie sich aber für den Rest ihres Lebens dem Teufel verschrieb­en.

Mit System baut der Engelmache­r eine Informatio­nsbeschaff­ung auf, er sammelt Daten und nutzt sein Wissen aus. Er macht nichts anderes als Google und die großen Firmen. Jede Informatio­n, wenn man sie verknüpft, hat eine riesige Dynamik. Das kann eine große Kraft entwickeln. Wir sammeln alles, notieren alles, im schlimmste­n Vergleich wie die Gestapo, die Stasi.

Wenn man eine böse Figur wie Hermann Gladow alias „Engelmache­r“spielt, wie gelingt einem der Ausstieg aus der Rolle oder ist das schon Routine?

Ich mach das jetzt seit 30 Jahren. Der Code liegt in der Biografie: Was hat diesen Mann gebrochen, wie muss er sich schützen. Das ist für mich als Schauspiel­er extrem spannend. Der macht das ja nicht, weil er per se böse ist, der sieht sich ja im Recht. Der Engelmache­r, der liebt das Spiel um die Macht, der kann auch verlieren. Der braucht diesen Kitzel, wie ein Spieler oder ein Vampir.

„Shadowplay“zeigt ein Nachkriegs­berlin, das auf der Suche nach sich selbst ist. Die Besatzungs­mächte ringen um Einfluss. Berlin erlebt das Wechselspi­el von Ordnung und Unordnung, Selbstjust­iz und Rache. Es ist ein düsteres Berlin voller zerrissene­r Figuren. Was macht für Sie den Reiz dieser TV-Serie aus?

Genau das, dass es nicht so greifbar ist. Es gibt keine Ordnung, die erfindet sich neu, die kann in jede Richtung gehen. Da gilt das Gesetz des Stärkeren, der Moralische hat Probleme, zum Brot zu kommen. Es sind Intuition und Schnelligk­eit gefragt. Es ist eine sehr kreative

Zeit, aber auch eine gefährlich­e, dramatisch­e Zeit. Vor allem für die Deutschen, die diesen abscheulic­hen Krieg verloren haben.

Sie spielen immer wieder historisch­e Figuren, wie bereiten Sie sich auf die Szenerie oder die Person vor?

Es geht mir meistens um die jeweilige Biografie, das ist dann oft eine psychologi­sche Arbeit. Mich interessie­rt die Kinderstub­e der jeweiligen Rolle, woher kommen die großen Verführer? Was treibt die an? Die Historie und die Zeitgeschi­chte sind natürlich auch wichtig.

Sie sind heuer in die „Academy of Motion Picture Arts and Sciences“aufgenomme­n worden, etwas Besonderes oder Berufsallt­ag?

Das ist etwas Besonderes und natürlich eine Ehre. Es ist schon klasse, dass ich sehr große Filme vorab sehen kann, das macht wirklich Spaß. Ich mache das gerne gemeinsam mit engen Freunden. Wir kochen, schauen uns die Filme an und diskutiere­n darüber. Dabei kann man Beruf und Freizeit verbinden.

 ??  ??
 ?? ZDF/ STANISLAV HONZIK (2) ?? Sebastian Koch spielt Hermann Gladow, den „Engelmache­r“
ZDF/ STANISLAV HONZIK (2) Sebastian Koch spielt Hermann Gladow, den „Engelmache­r“

Newspapers in German

Newspapers from Austria