Das Ende des Quartetts
Die Corona-Mutation in Kombination mit der sinkenden Bereitschaft der Menschen, den Spielregeln Folge zu leisten, setzt der Regierung zu. Nun setzt man auf Strategiewechsel.
Schon in den letzten Tagen machten Gerüchte die Runde, an der für Sonntag anberaumten Bekanntgabe der Lockdown-Verlängerung würden nicht alle Mitglieder des „virologischen Quartetts“(Copyright Christian Nusser, Chef der Gratiszeitung „Heute“) teilnehmen. Die Vermutung, einer der Akteure sei erkrankt und befinde sich in Quarantäne, stellte sich schnell als Falschmeldung heraus.
Seit dem ersten Lockdown im März wurden alle Lockerungen und Verschärfungen von Kanzler, Vizekanzler, Gesundheitsund Innenminister gemeinsam verkündet. Die unverwechselbaren Auftritte der vierköpfigen Truppe haben sich nicht nur als ikonografische Konstante ins innenpolitische Gedächtnis eingebrannt, sie lieferten reichlich Stoff für Kabarettisten und Stimmen-Imitatoren.
Umso überraschender das neue Setting am gestrigen Sonntag: Kanzler und Gesundheitsminister traten mit dem amtierenden Vorsitzenden der Landeshauptleutekonferenz, dem Steirer Hermann Schützenhöfer, Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und dem Vi
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zerektor der Wiener MedUni vor die Presse. Vizekanzler und Innenminister fehlten.
Dem neuen Setting liegt eine bemerkenswerte Strategieänderung zugrunde, die nicht rein PR-getrieben ist. Statt Landeshauptleute wie auch Oppositionspolitiker bei Schlüsselentscheidungen vor vollendete Tatsachen zu stellen, sollen sie künftig stärker in die Entscheidungsfindung eingebunden werden. Sogar schwarze Landeshauptleute rümpften zuletzt die Nase über den Kanzler. Das Chaos bei Tests und Impfungen – konkret die Kluft zwischen der großen Ankündigung und der bisweilen stümperhaften Umsetzung – sorgte für dicke Luft. Am Freitag traf der Kanzler die Landeschefs zum vierstündigen Gespräch, zum Gipfel mit den Virologen am Samstag wurden die Länder dazugeschaltet.
Man wird sehen,
ob
dieser wundersame Schulterschluss Bestand hat. Er ist der Dramatik der Lage geschuldet. Glaubt man den Virologen, dürfte in den nächsten Wochen eine gewaltige Coronawelle über Europa schwappen. Gleichzeitig sinkt die Bereitschaft der Bevölkerung, den leidigen Spielregeln Folge zu leisten, in einem beängstigenden Ausmaß. Viel fehlt nicht, ein paar unausgegorene Entscheidungen, und die Stimmung kippt. Wer die jüngsten Demonstrationen als simplen Aufstand von Obskuranten abtut, dem fehlt das Sensorium. an sollte die Interessen des Landes vor taktische Überlegungen stellen, mahnte Schützenhöfer gestern zu Recht ein. Das gilt für alle Akteure: die Regierung, die Landeshauptleute, die regionales Corona-Versagen gern dem Bund in die Schuhe schieben, die Opposition. Und auch für Wien, wo sich der rote Bürgermeister gestern gezwungen sah, zu den Aussagen des schillernden Gesundheitsstadtrats („Die Regierung macht auf hysterisch“) auf Distanz zu gehen. Die Einbindung schafft wahre Wunder.
MDer Internationale Eishockey-Verband (IIHF) möchte die Eisfläche verkleinern. Um die Intensität zu erhöhen. Stresssituationen müssen auch abseits des Eises gemeistert werden.
Die WM-Vergabe 2021 nach Weißrussland hebt einmal mehr das Dilemma hervor, dass Sport und Politik selten getrennt werden können. Lange schwiegen der IIHF und sein Präsident René Fasel. Nun übernimmt WMHauptsponsor Sˇkoda die Initiative und droht: „Wenn sie in Weißrussland abgehalten wird, ziehen wir uns zurück.“Ein deutliches Signal, das Fasel in den letzten Monaten verabsäumt hatte.
Noch dazu, obwohl der Schweizer vergangene Woche nach Minsk gereist war. Anstatt Klartext zu sprechen, gingen Bilder einer Umarmung mit Lukaschenko um die Welt. Sie nahmen dem IIHF die Unschuld. Weitere Sponsoren wollen sich abwenden. So dürfte Fasel & Co. bei ihrer heutigen Sitzung wohl nichts anderes übrig bleiben, als Lukaschenko die WM zu entziehen. Auch, um damit in letzter Sekunde das Gesicht zu wahren. Es zeigt, Fasel beherrscht das Spiel auf engem Raum.