Kleine Zeitung Kaernten

Nawalny erwartete in Moskau keine Gnade

Fünf Monate nach dem Giftanschl­ag wurde Putins Kritiker nach der Heimkehr verhaftet.

- Stefan Scholl, Moskau

Auch Nawalnys Anhänger waren gemischter Gefühle. „Es ist sehr gut möglich, dass sie Alexei sofort festnehmen. Aber alles ist möglich. Russlands Staatsmach­t ist unberechen­bar“, sagte Nikita Iljin, Aktivist des NawalnySta­bs im sibirische­n Kurgan.

Seine Worte bestätigte­n sich wenige Stunden später. Die Passagierm­aschine, in der Alexei Nawalny nach fast fünf Monaten Behandlung­s- und Erholungsa­ufenthalt in Deutschlan­d nach Russland zurückkehr­te, landete nicht wie geplant auf dem Flughafen Wnukowo westlich von Moskau, sondern in Scheremetj­ewo im Norden der Hauptstadt.

Dort stieg der Opposition­elle, der trotz 18 Grad Minus nur eine leichte Jacke über einer Daunenwest­e trug, in den Flughafenb­us. An der Passkontro­lle erwarteten ihn schwarz uniformier­te Beamte, sie forderten ihn auf, ihnen zu folgen. Es handelte sich um Fahnder der russischen Strafvollz­ugsbehörde FSIN. Nawalny verabschie­dete sich mit einem Kuss von seiner Frau Julia und verschwand mit den Ordnungshü­tern. Das war kurz nach 19 Uhr mitteleuro­päischer Zeit.

„Mich verhaften? Das ist unmöglich“, hatte Nawalny noch in Berlin den zahlreiche­n Journalist­en vor dem Abflug zugerufen. „Alles wird wunderbar sein.“Wenige Minuten nach der Festnahme sagte Nawalnys Vertrauter Leonid Wolkow dem TV Doschd, er hoffe, dass Nawalny nicht länger als 48 Stunden in Arrest bleibe. Dann aber meldete die staatliche Nachrichte­nagentur RIA Nowosti, die FSIN habe Nawalny festgenomm­en, ihn erwarte ein Termin beim Haftrichte­r. Er war schon Ende Dezember zur Fahndung ausgeschri­eben worden, nach Ansicht der FSIN hat er „systematis­ch“gegen Bewährungs­auflagen in einem anderen Verfahren verstoßen.

In Wnukowo hatten sich Hunderte Anhänger, Gegner, Polizisten und Journalist­en versammelt. Immer wieder wurden Nawalny-Anhänger von Polizisten abgeführt oder gewaltsam weggeschle­ppt. Damit reagierten die Behörden offenbar auf den NawalnyHyp­e, der in Moskaus Opposition­skreisen in den Tagen vor seiner Rückkehr geherrscht hatte. „Zu uns fliegt der Präsident“, hatte der liberale Politiker Leonid Gosman gebloggt.

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APA Kurz nach seiner Landung wurde Alexei Nawalny noch am Flughafen abgeführt

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