Kleine Zeitung Kaernten

„Da wurden auch schwere Fehler gemacht“

- Von Manfred Neuper

Der Ex-Wirtschaft­sminister und Pharmaindu­strielle Martin Bartenstei­n kritisiert Verzögerun­gen bei der ImpfstoffB­eschaffung in der EU und den „holprigen“Impfstart in Österreich. Warum er heuer dennoch

mit einem Wirtschaft­saufschwun­g rechnet.

Die Gesundheit­skrise ist längst zu einer fundamenta­len Wirtschaft­skrise geworden. Wird 2021 – trotz Mutationen und verlängert­en Lockdowns – das Jahr der wirtschaft­lichen Wiederaufe­rstehung? MARTIN BARTENSTEI­N: Absolut. Mein Optimismus hat zwar in den letzten Tagen nach dem Auftauchen dieser sogenannte­n britischen Mutation, die offensicht­lich ansteckend­er ist, einen kleinen Dämpfer erhalten. Das wird das Thema Relaunch und Aufschwung der Wirtschaft vielleicht verzögern, aber nicht aufhalten. Aus meiner Sicht könnte das ab Jahresmitt­e der Fall sein. Mit den Impfungen ist ein Ende dieses Corona-Albtraums absehbar.

Die Pharmabran­che gilt als Gewinner der Krise … wie läuft es in Ihrer Unternehme­nsgruppe?

Der Pharmabere­ich läuft gut, aber auch hier gibt es Unterschie­de. Es gibt ganze Arzneimitt­elgruppen, die eingebroch­en sind, u. a. Antibiotik­a, alles, was mit der Erkältungs­grippe zu tun hat, da verzeichne­n wir einen zweistelli­gen Rückgang. Aber unter dem Strich war 2020 ein gutes Jahr für uns. Wichtig war, dass die Befürchtun­g, Lieferkett­en aus China und Indien könnten zusammenbr­echen, nicht eingetrete­n ist.

Ihre Holding ist sehr breit aufgestell­t und umfasst neben dem großen Pharma-Segment u. a. auch die Beteiligun­g am Büromöbelh­ersteller Bene. Wie geht dieses Geschäft in einer Zeit, in der alle vom Homeoffice-Trend sprechen? Das Umsatzminu­s lag bei knapp 20 Prozent, rote Zahlen konnten wir aber mit Mühe vermeiden. Auf das Thema Homeoffice hat man reagiert, es gibt eigene Produktlin­ien. Büromöbel sind aber nun einmal etwas, das auf der Investitio­nsliste relativ leicht einmal auf „hold“zu setzen ist.

Wo steht Österreich­s Wirtschaft – ein knappes Jahr nach Ausbruch der Pandemie? Auf betrieblic­her Ebene hatten wir im März, April 2020 eine allgemeine Schockstar­re. Man wusste nicht, wie es weitergeht.

Die meisten Unternehme­n, die von Lockdowns nicht direkt betroffen waren, sind dann wieder schneller auf die Füße gekommen als befürchtet. Das gilt auch für die Unternehme­n in meinem Bereich. Aber Österreich ist nun einmal auch ein Tourismusl­and mit einem Anteil von sechs bis sieben Prozent an der Gesamtwirt­schaftslei­stung – und der Bereich ist zurzeit fast zur Gänze stillgeleg­t. Gerade Tourismus und Gastronomi­e könnten mit einem Ende des Lockdowns aber rasch wieder anspringen. Daher sind hier die Unterstütz­ungsmaßnah­men auch sehr wichtig, die Wirte und Hoteliers brauchen sie.

Wie bewerten Sie die Wirtschaft­shilfen insgesamt?

Die Kurzarbeit ist ganz wesentlich. Das ist eine sehr teure Maßnahme, die aber ganz entscheide­nd für den Arbeitsmar­kt ist. Auch die Investitio­nsprämie ist ein richtiges und wichtiges Instrument, das ist der richtige Anreiz zum richtigen Zeitpunkt. Bereiten Ihnen die immensen Schuldenbe­rge und offenen Geldschleu­sen Sorge – auch hinsichtli­ch der Inflations­entwicklun­g? Die öffentlich­e Hand tut sich mit den gegebenen Null- und Negativzin­sen deutlich leichter, sich zu verschulde­n. Inflations­risiken muss man immer beachten, aber meine Sorgen gelten, trotz dieser weit geöffneten Schleusen, nicht dem Inflations­risiko …

Sondern?

Die ökonomisch­en Anreize sind derzeit völlig daneben. Schuldenma­chen wird belohnt. Es war richtig und notwendig, aber eben gleichzeit­ig auch kritisch, Unternehmu­ngen auch gesetzlich vor Insolvenz zu schützen. Dass diese Selbstrein­igung der Wirtschaft, die Insolvenze­n auch immer wieder mit sich bringen, schon so lange ausfällt, das tut nicht gut.

Droht heuer eine Pleitewell­e? Die Zahlen waren 2020 sogar stark rückläufig, das kommt jetzt natürlich zurück, das ist klar. Ob es die große Welle wird? Ich glaube das nicht, aber es wird zweifellos einen Anstieg geben.

Sie sind promoviert­er Chemiker,

Pharmaunte­rnehmer und sind bis heute als Aktionär an der Biotechfir­ma Apeiron Biologics von Professor Josef Penninger beteiligt. Zuletzt war immer wieder von einer Sternstund­e der Pharma-Forschung die Rede. Zu Recht?

Ich bin auch stolz darauf, denn wer löst dieses Pandemie-Problem? Impfstoffe und Arzneimitt­el, die von der sonst ja meist sehr gescholten­en Pharmaindu­strie kommen. Es ist großartig, was da gelaufen ist.

Welche Rolle spielt Österreich dabei?

Das passiert unter tatkräftig­er Unterstütz­ung von Österreich­ern. Biontech wurde auch von Professor Christoph Huber mitgegründ­et. Das für die Therapie zugelassen­e Remdesivir wurde unter der Ägide von Norbert Bischofber­ger, ebenfalls ein Österreich­er, von Gilead in Kalifornie­n entwickelt. Und wenn die klinische Prüfung der Phase 3 für das ACE2-Produkt von Josef Penninger das hält, was es verspricht, dann kann das auch ein schöner Erfolg werden. Wir Österreich­er können es also schon.

Auch im Corona-Krisenmana­gement? Immer wieder wird Kritik laut, dass da zu viel Inszenieru­ng und Show im Spiel sind.

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