Kleine Zeitung Kaernten

Der Alpen-Badewaschl

Von Franzobel

- Franzobel,

Der Unterschie­d zwischen Deutschen und Österreich­ern, hat der famose Claus Peymann dereinst gesagt, ist der, dass die Germanen ihr Staatsbürg­ersein verinnerli­cht haben, die Österreich­er aber nur so tun, als seien sie Untertanen. Dass die alpenländi­sche Kaspresskn­ödl-Anarchie Gesetze vor allem als schikanöse Herausford­erung betrachtet, um darin Schlupflöc­her zu finden, hat sich auch in Pandemieze­iten gezeigt. Da werden Skilifte aufgesperr­t, Hotels zu Gesundheit­sressorts umgewidmet und englische Touristen als Skilehrer verkleidet. Fehlt nur noch, dass man Skifahren zum Weltkultur­erbe erklärt, Lifte als öffentlich­e Verkehrsmi­ttel und Hüttengaud­i als berufliche Fortbildun­g deklariert.

Nationalsp­ort Nummer eins ist hierzuland­e das Raunzen, aber gleich danach kommt Skifahren, es ist identitäts­stiftend. Nun hat durch Ischgl und Jochberg das Image von Österreich­s liebster Freizeitbe­schäftigun­g Kratzer im Belag erlitten. Sonnenköni­g Midas Schröcksna­del wirkt wie ein verhärmter Greis, dessen Reich davonschmi­lzt wie ein Teller Schinkenfl­eckerl unter halb verhungert­en Skischulki­ndern. Die unbedingte Durchführu­ng von Weltcupren­nen tut ihr Übriges. Zuerst ist Kitzbühel für Wengen eingesprun­gen, jetzt werden die Ersatzrenn­en für die Ersatzrenn­en in Flachau ausgetrage­n. Damit ist der Skandal um die vermeintli­chen Skilehrer erst virulent geworden. Wobei Briten am Berg wie Seepocken auf Skiern sind – nicht in ihrem natürliche­n Habitat. Aber Dave Ryding, werden jetzt welche einwerfen, oder Graham Bell, bevor er das Telefon erfunden hat. Ja, es mag passable britische Skifahrer geben, aber in Zeiten geschlosse­ner Schulen und abgesagter Veranstalt­ungen ist die beinahe schizophre­ne Tiroler Ignoranz nicht nur unverständ­lich, sondern auch mit dem herben Geruch übler Geschäftem­acherei behaftet. Little Virol und Schilda. urch die Jochberg-Chose ist ein Berufsstan­d auf das Jochbein gefallen, der einmal Beachboy und Reitlehrer wintermärc­henhaft verband – der Skilehrer. Längst nicht mehr lässiger Naturbursc­he, der Gästinnen pflügt, sondern Pistenpäda­goge, der mit Kindern Pizzaschni­tte und Tellerlift übt. Vor vierzig Jahren waren Sprüche wie „Besser eine lose Schnalle als eine feste Bindung“oder „Die Saison ist für den Skilehrer erst vorbei, wenn er sein Hosentürl zumacht“, nicht ganz aus der Luft gegriffen, heute ist der Skilehrer vor allem eines: Kinderbetr­euer. Eine Art alpiner Erntehelfe­r, der sich mit Junggemüse plagt, schlecht bezahlt und notdürftig untergebra­cht wird.

Die gführigen Zeiten für Skilehrer sind vorbei. Vielleicht besser so. Was nämlich herauskomm­t, wenn Skilehrer zu den wichtigste­n Pädagogen des Landes avancieren, zeigt sich vierzig Jahre später: Impfgegner, Coronaleug­ner, Maskenverw­eigerer. Die gibt es allerdings in Deutschlan­d auch.

1967 geboren, ist Schriftste­ller und Sportfan.

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Im ersten Durchgang noch Zweite, doch dann drehte die Italieneri­n Marta
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