Kleine Zeitung Kaernten

Trauer um den Fechter mit dem Pinsel

Abschied von einem „Weltmaler“: Hans Staudacher, einer der wichtigste­n Vertreter der österreich­ischen Nachkriegs­malerei, starb im Alter von 98 Jahren in Wien.

- Von Erwin Hirtenfeld­er

Er selbst nannte sich einen „Kritzler“und „Strichiste­n“, andere sahen in ihm einen genialen „Fechter mit dem Pinsel“, der mit unverkennb­arer Handschrif­t Bilder voller Heiterkeit und Poesie schuf. Nun hat der große Neuerer der österreich­ischen Nachkriegs­kunst seinen Degen für immer aus der Hand gelegt. In der Nacht auf Sonntag ist Hans Staudacher kurz nach seinem 98. Geburtstag in einem Wiener Altenheim „friedlich eingeschla­fen“, wie sein Galerist Ernst Hilger mitteilte.

Bereits als Volksschül­er hatte der Eisenbahne­rsohn aus St. Urban am Ossiacher See „künstleris­chen Handlungsb­edarf“gehabt, wie es sein Wegbegleit­er Peter Baum einmal formuliert­e. Als Staudacher viele Jahre später aus dem Krieg heimkehrte, sperrte er sich eine Woche lang ein, um seine traumatisc­hen Erlebnisse – seinen inneren „Stau“, wie er es nannte – in Hunderten Tierbilder­n zu verarbeite­n.

Auf solche gegenständ­lichen Anfangssch­ritte, die sich auch in kubistisch-impression­istischen Landschaft­sbildern und Porträts ausdrücken konnten, folgten 1951 die ersten tachistisc­hen Pinselhieb­e. Kurz zuvor war Staudacher nach Wien übersiedel­t, wo er sich den Secessioni­sten anschloss und sich zunächst an der Kunst eines Wassily Kandinsky, Pablo Picasso oder Joan Miró orientiert­e. Mehrere Paris-Aufenthalt­e zwischen 1954 und 1962, bei denen der Autodidakt den Dadaismus und Lettrismus eines Georges Mathieu kennenlern­te, ließen ihn schließlic­h zu einem der wichtigste­n Vertreter der heimischen Avantgarde avancieren.

In den Jahren bis zu seiner weitgehend­en Erblindung malte Staudacher Tausende Gemälde und Zeichnunge­n im Stil des lyrischen Informel, die meisten davon in seinem Atelier in der Wiener Ankerbrotf­abrik oder in seinem kleinen Häuschen bei Finkenstei­n nahe Villach. Sie tragen Titel wie „Spuren“, „Patzereien“oder „Fleckenpoe­sie“und entsprange­n einem künstleris­chen Wollen, das der umtriebige Aktionist am liebsten als „Tanz“oder „Spiel“bezeichnet­e. Auch Schicksals­schläge wie der frühe Tod seines einzigen Sohnes konnten Staudacher­s Bildern nichts von ihrer Kraft und Leichtigke­it nehmen. Manche davon entstanden auch im Rahmen von Happenings, bei denen er in seinem Atelier mit Materialie­n wie Holz oder Textilien experiment­ierte.

Obwohl bereits 1956 von Josef Hoffmann zur Biennale nach Venedig entsandt und später mit dem Hauptpreis der Biennale in Tokio ausgezeich­net, musste der leidenscha­ftliche Virginia-Raucher lange Zeit als Tankwart oder Teppichrei­niger jobben, um seine kleine Familie über Wasser halten zu können. Heute sind seine kalligrafi­sch anmutenden Kompositio­nen bei Sammlern ebenso begehrt wie bei Fälschern, was dem Künstler in seinen letzten Jahren so manch lästigen Gerichtste­rmin bescherte.

Ich bin ein Weltmaler“, hat Hans Staudacher einmal mit typischer Spitzbübig­keit und zugleich selbstbewu­sst auf eines seiner Werke gekritzelt. Auf einem anderen sind die Worte zu lesen: „ES IST VOLL PRACHT“. Besser kann man sein künstleris­ches Schaffen nicht auf den Punkt bringen.

Der „Schnelle Hans“wird der Welt fehlen. Doch seine prachtvoll­en Tänze auf Leinwand und Papier werden uns weiterhin begleiten und erfreuen.

 ??  ?? Hans Staudacher im Wiener Atelier mit Frau und Tochter, vor einem seiner Großformat­e und beim Malen in einer Aufnahme von Peter Baum
Hans Staudacher im Wiener Atelier mit Frau und Tochter, vor einem seiner Großformat­e und beim Malen in einer Aufnahme von Peter Baum
 ?? APA, BAUM, EH ??
APA, BAUM, EH
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria