Kleine Zeitung Kaernten

Autoland

Die Autoindust­rie ist in Österreich wichtiger, als man denkt – und in Deutschlan­d der Tourismus.

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In den Diskussion­en über den furchtbare­n wirtschaft­lichen Effekt der Corona-Pandemie haben mir viele Österreich­er mit einem Beispiel zu helfen versucht. Dass Land und Leute so massiv unter der Einschränk­ung des Skifahrens litten, könne ich als Deutscher vielleicht besser mit einem Vergleich verstehen: Der Tourismus sei für Österreich ungefähr so wichtig wie für Deutschlan­d die Automobilw­irtschaft – und wenn die abgeschalt­et würde, wären die Auswirkung­en auf Deutschlan­d auch verheerend. Das ist in der Tat ein Vergleich, der mich zum Nachdenken brachte.

Und da ich leider die letzten Tage nicht mit Skifahren verbringen konnte, habe ich ein bisschen unsere wirtschaft­lichen Abhängigke­iten erkundet. Ich will Sie nicht mit Prozentpun­kten langweilen, aber eines ist offensicht­lich: Der Anteil des österreich­ischen Tourismus an der Gesamtwirt­schaft ist sogar noch höher als derjenige der deutschen Autoindust­rie an unserer Wirtschaft, sehr beeindruck­end.

Überrasche­nder war aber ein anderer Befund: Auch die Abhängigke­it des österreich­ischen Wohlstands vom Automobil ist erstaunlic­h hoch – und zwar ungefähr genauso wie in Deutschlan­d. In beiden Ländern trägt die Automobili­ndustrie fast fünf Prozent zur gesamten Wertschöpf­ung bei. Wer bisher Deutschlan­d für das Autoland an sich hielt (und Österreich nicht so sehr), stellt sich zwei Fragen: Wieso ist die Abhängigke­it in Deutschlan­d nicht größer – und wieso in Österreich so hoch?

I n Deutschlan­d, so die Statistike­n, ist die Autobranch­e zwar der größte Industriez­weig, aber auch die Chemie-, Elektro- und Maschinenb­auindustri­en spielen eine große Rolle. Und Österreich? Zwar sind die Marken Audi und Porsche, Opel, Mercedes und BMW mit Deutschlan­d verbunden – aber ohne Firmen wie Magna und AVL List, ohne BMW Steyr und zahlreiche Mittelstän­dler würden viele „deutsche“Autos nicht ins Rollen kommen. Österreich ist in stärkerem Maße Autoland, als es vielleicht manchen bewusst ist; und auch in der Automobilw­irtschaft sind wir auf das Engste verflochte­n.

Ü brigens hat sich bei meinen Recherchen eine weitere Erkenntnis eingestell­t, die mich überrascht hat: Deutschlan­ds Tourismusw­irtschaft ist wichtiger, als man in Österreich vielleicht denkt. Immerhin drei Millionen Arbeitsplä­tze hängen bei uns am Fremdenver­kehr. Auch in Deutschlan­d hofft man, dass Urlaubsrei­sen bald wieder möglich sind. Es muss nicht mal unbedingt mit dem Auto sein.

Ralf Beste ist seit 2019 deutscher Botschafte­r in Österreich. In einem früheren Leben war er Journalist.

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