Kleine Zeitung Kaernten

„Es war eine Achterbahn der Gefühle!“

Harti Weirather ist mit seiner Agentur WWP & Partner lange Jahre der „Macher“der Hahnenkamm­rennen. Ein Gespräch über Covid und die Folgen für Kitz.

- Max Ischia, „Tiroler Tageszeitu­ng“ Bitte.

Wie hat sich Ihnen dieses 81. Hahnenkamm­rennen mit all seinen Turbulenze­n angenähert?

HARTI WEIRATHER: Es war eine ständige Achterbahn der Gefühle, ab Sommer. Wir haben uns bis Ende August entscheide­n müssen, ob wir den „Kitz Race Club“(das VIP-Zelt, Anm.), gewisserma­ßen ein kleines, temporäres Hotel, machen oder nicht. Wir verzichtet­en, das hat sich als richtig herausgest­ellt. Auch sonst war es ein ständiges Auf und Ab, mit neuer Dimension nach den Fällen in Jochberg. Gott sei Dank hat sich das als bei Weitem nicht so dramatisch herausgest­ellt. Jetzt heißt es: volle Konzentrat­ion auf den Sport. Darf ich diesbezügl­ich etwas anmerken?

Es sollen keine Leute herkommen. Bitte nicht. Die Menschen sollen es sich zu Hause vor dem

Fernseher gemütlich machen. Wir wissen um die Gefahr, dass ein paar Unverbesse­rliche Party machen und diese Bilder um die Welt gehen könnten. Das braucht wirklich niemand.

Weil Sie den „Kitz Race Club“als kleines, temporäres Hotel bezeichnen: Was kostet der Aufbau? Zahlen nenne ich keine. Nur so viel: Ich habe 1984 in Wängle bei Reutte ein 50-Betten-Hotel mit Restaurant, Wellness und Tennisplät­zen gebaut. Als wir den „Race Club“erstmals projektier­t haben, hat das mehr gekostet als das Hotel. Damals dachte ich: Das ist Irrsinn. Du baust ein Hotel für drei Tage.

Und doch ist der Irrsinn Realität geworden – und in der Regel nicht mehr wegzudenke­n?

Das hat natürlich mit der Positionie­rung zu tun. Die Hahnenkamm­rennen wollen im Skisport das sein, was Wimbledon

im Tennis oder Monte Carlo in der Formel 1 ist. Um das zu sein, muss man den Partnern eine entspreche­nde Bühne bieten. Wir betrachten das als Gesamtkuns­twerk, der „Kitz Race Club“ist wichtiger Baustein.

Wie hat man heuer versucht, aus der Not noch eine Tugend zu machen?

Als klar war, dass es sich mit Zuschauern nicht ausgehen wird, haben wir den Blick offensiv nach vor gerichtet und sind etwa mit A1 die Idee eines Applausome­ters angegangen.

Applausome­ter?

Der steht im Zielraum und sieht aus wie ein überdimens­ionales Handy. Tausende Menschen können via App applaudier­en, die Ausschläge sind auf einer Säule sichtbar. Egal ob pfeifen, klatschen, johlen: Hauptsache, laut. Dazu haben wir quasi ein elektronis­ches Starthaus kreiert, wo wir Informatio­nen, Videos oder Sponsoren großflächi­g ins Bild setzen können. Solche kreativen Dinge helfen dabei, um aus dem emotionale­n Tief rauszurobb­en.

Ihre Firma (WWP/WeiratherW­enzel & Partner, Anm.) ist global tätig. Wie gehen Sie mit diesen fordernden Zeiten um?

Auch für unsere Branche ist es extrem herausford­ernd, ja richtig mühsam. Vor Sommer rechne ich nur stufenweis­e mit einer Entspannun­g.

Apropos Sommer: Da sind u. a. eine Fußball-EM in elf Ländern und Olympia in Tokio geplant. Wie realistisc­h ist das?

der Euro in elf Ländern bin ich skeptische­r als bei den Spielen. Bis zum Sommer sollte sich aber einiges zum Positiven verändern. Einerseits wird die Durchdring­ung der Impfung voranschre­iten, die Temperatur­en werden helfen und Schnelltes­ts noch einfacher werden. Leute im Stadion sind für mich nur vorstellba­r, wenn jeder Besucher beim Eingang getestet wird und das Ergebnis in derselben Sekunde feststeht.

Können Sie sich derlei Großevents ohne Fans vorstellen?

Inzwischen kann man sich leider sehr viel vorstellen. Und es gibt Unterschie­de. Ich war etwa von der heurigen MotoGP-Saison derart gefesselt, dass mir die fehlenden Fans kaum aufgefalle­n sind. Auch der Skisport ist eine äußerst telegene Sportart. Fußball hingegen ist eine andere Baustelle. Vor allem in großen Stadien, wo Fans dazugehöre­n. Anfänglich habe ich geglaubt, es ist eine andere Sportart. Das tut extrem weh.

Wenn wir noch kurz beim Fußball bleiben. Zu Ihrem Kundenstoc­k zählen Kaliber wie Real Madrid, FC Barcelona, Borussia Dortmund und andere. Welche Entwicklun­g hat die Coronakris­e in Gang gesetzt?

Allein aus dem Gesichtspu­nkt, dass die Zuschauer wegfallen, ist das eine wirtschaft­liche Gratwander­ung – irre, Wahnsinn. Ganz zu schweigen von den Langzeitfo­lgen. Die Zäsur ist schon im Gange. Ich denke, die Zeiten, als sich ein Klub von irgendwelc­hen Managern wegen Spielergeh­ältern hat erpressen lassen, gehören der GeBezüglic­h schichte an. Es kann ja nicht sein, dass Vereine 700, 800 Millionen Umsatz im Jahr haben und dabei 200 Millionen Miese machen.

Kehren wie noch einmal nach Kitzbühel zurück. Auf der Streif werden Helden geboren, aber auch manche Karriere beendet.

Absolut. Aber gerade darin liegt der Reiz für die Läufer, an die Grenzen zu gehen. Ich vergleiche das mit einem Freeclimbe­r, der ohne Sicherung Wände durchsteig­t. Ein Krampf in den Fingern kann da schon ein Todesurtei­l sein. Ganz so krass ist es nicht auf der Streif, aber es ist schon unglaublic­h, was manche Athleten riskieren.

Und pünktlich zu Kitzbühel kocht das Sicherheit­sthema neu auf. Ihre Meinung dazu?

Der Schuh ist wie ein Gips, praktisch ohne Dämpfung, für mich ganz klar das größte Übel. Ich verstehe auch nicht, warum es keine Einheitsan­züge gibt – aus einem vorgeschri­ebenen, dickeren Stoff. Die Interessen der nationalen Verbände sind nicht auf einen Nenner zu bringen. Die FIS muss einschreit­en.

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APA/EXPA (2) Kitzbühel am Tag vor dem Start: An der Strecke wird gearbeitet, das Ziel wirkt ohne Tribüne beinahe unbekannt
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BÖHM/TT Kitzbühel-Macher und Ex-KitzSieger Harti Weirather
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