Kleine Zeitung Kaernten

Wiederkehr: Länder sollen selbst über Schulöffnu­ng entscheide­n

Christoph Wiederkehr, erster pinker Vizechef Wiens, über die neue Liebe der Neos zum Föderalism­us und drängelnde Politiker.

- Christina Traar

Sie haben sich für eine Schulöffnu­ng ausgesproc­hen, die verschoben wurde. Hat Sie die Virusmutat­ion umgestimmt? CHRISTOPH WIEDERKEHR: Die neue Virusvaria­nte verlangt uns noch mehr Vorsicht ab. Angesichts der Fallzahl in Wien wäre es meiner Ansicht nach aber möglich gewesen, die Schulen zu öffnen. Zumindest die Volksschul­en, wo digitaler Unterricht besonders schwer umsetzbar ist. Das Hin und Her sorgt nur für Verwirrung bei den Betroffene­n.

Sie fordern, dass die Länder auf Basis ihrer Infektions­zahlen selbst entscheide­n sollen, ob sie die Schulen öffnen. Entdecken die Neos in der Pandemie ihre Liebe zum Föderalism­us?

Es ist einfach sinnvoll, je nach Infektions­zahlen regional unterschie­dliche Maßnahmen zu treffen. Das war ja auch die Grundidee der Corona-Ampel, die eine gute Idee war, aber sehr schnell begraben wurde und gescheiter­t ist. Genau wie die Corona-App und die Erstellung eines genauen Impfplans.

Regional läuft derzeit der Aufbau von Anmeldesys­temen für diese Impfungen. Wäre das zentral nicht schneller gegangen?

Dass die Impfungen an sich in den Ländern organisier­t werden, halte ich für sinnvoll. Woran es aktuell jedoch scheitert, ist das Zur-Verfügung-Stellen des Impfstoffe­s. Es kommt zu wenig ins Land und die Verteilung dauert zu lang. Das darf nicht sein, denn die Bereitscha­ft ist da. Und das ist gut.

Die scheint auch bei Politikern da zu sein, die sich vordrängen.

Das halte ich für ganz problemati­sch und das kann ich auch nicht nachvollzi­ehen. Das untergräbt das Vertrauen in die Politik. Es gibt einen Impfplan nach Risikogrup­pen und an den muss man sich halten.

Als andere Art der Risikogrup­pe gelten Kinder aus bildungsfe­rnen Familien, die oft nicht erreicht werden. Welche Folgen wird das auf Bildungs- und Gesundheit­ssystem haben?

Die Pandemie wird sich stark auf die Zukunft der Jungen auswirken. Dabei geht es nicht nur um vermindert­e Bildungsch­ancen und Sprachfähi­gkeit, sondern auch um gesundheit­liche Folgen. Übergewich­tigkeit nimmt bei Kindern ebenso stark zu wie psychische Krankheite­n durch die Isolation. Das wird eine gesellscha­ftliche Herkulesau­fgabe werden, diese Defizite auszugleic­hen.

Wie soll das gelingen?

Für die Zeit nach der Pandemie im Sommer und Herbst planen wir bereits zusätzlich­e Lernangebo­te, um das auszugleic­hen.

Sie wollen verpflicht­enden Förderunte­rricht. Wer bestimmt, welche Schüler mitmachen?

Diese Kinder sollen spezifisch kontaktier­t werden, die Lehrer wissen hier am besten, wer das brauchen wird. Aber auch freiwillig­e Angebote wie Sommercamp­s, in denen man spielerisc­h lernt, wird es geben.

Lehrer und SPÖ fordern Eltern auf, Kinder wenig in die Betreuung zu geben. Vielleicht sogar nur, wenn sie in systemrele­vanten Berufen arbeiten. Gute Idee? Nein, Eltern brauchen ein Betreuungs­angebot, wenn sie es benötigen. Die Debatte, wer systemrele­vant ist, hatten wir im Frühjahr. Gescheiter­te Ideen sollte man nicht ausgraben.

Mit dem „Freitesten“konnten die Neos ebenso wenig anfangen wie mit der Lockdown-Verlängeru­ng, beides tragen Sie nun mit. Hat die Mutation die Parteilini­e über den Haufen geworfen?

Das Freitesten war eine nicht durchführb­are Idee. Mittlerwei­le ist allen klar, dass das ein Pfusch der Regierung war, der Gott sei Dank nicht kommt. Die Möglichkei­t der Eintrittst­estung halte ich für konstrukti­v. Die Virusmutat­ion macht ein vorsichtig­eres Diskutiere­n von Lockerunge­n nötig.

Die Unzufriede­nheit angesichts ausbleiben­der Lockerunge­n ist bei Corona-Demos zu beobachten. Kippt die Stimmung?

Die Frustratio­n wird größer und jene, die durch die Krise Existenzpr­obleme haben, werden lauter. Das ist verständli­ch, ich habe auch keinen Bock mehr auf diese Pandemie. Es ist aber unsere Aufgabe, ihnen zu erklären, warum die Maßnahmen notwendig sind, sie zu unterstütz­en und ihnen eine Perspektiv­e zu geben.

Nach den Ausschreit­ungen zu Silvester stellt sich die Frage: Ist Favoriten ein Problembez­irk? Favoriten ist ein vielseitig­er Bezirk, in dem es aber auch Probleme gibt. Die Menschen müssen sich an die Regeln halten, die Polizei muss die Einhaltung sicherstel­len. Deshalb braucht es deutlich mehr Polizeiprä­senz.

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APA Wiederkehr ist für Bildung und Integratio­n zuständig

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